Das Buch Hiob

Buchvorstellung - 12.06.2009

Gianfranco Ravasi
Hiob
Der Mensch und sein Leid

München: Verlag Neue Stadt 2005
127 Seiten
ISBN 3-87996-647-8

In dieser Schrift wird zweierlei geboten: Sie gibt einen Einführung in das Buch Hiob und stellt die Theologie dieses alttestamentlichen Buches, also die Frage nach dem Leid, dar. Entsprechend ist sie gegliedert: Ein erster Hauptteil („Hiob, ein Buch voller Fragen“, 7-34) gibt einen Überblick über das Buch Hiob, indem es über seinen Aufbau informiert und viele exegetische Fragen anspricht, die die Kommentatoren beschäftigen (z.B. das Verhältnis Rahmenerzählung – Redeteil, Hinweise auf Einschübe usw.).
 

Aber all dies ist, genau wie die kurzen Bemerkungen zur Wirkung des Buches Hiob auf Denker, Dichter und Theologen, so einfach, gut und lebendig-mitziehend geschrieben – hier und auch sonst kommt R. ohne eine einzige Anmerkung aus! –, dass man kaum merkt, wie viel Wissen auf der Höhe des derzeitigen Forschungsstandes vermittelt wird. Danach steht das Inhaltliche mehr im Vordergrund.

Der zweite Hauptteil („Hiob, die Geschichte eines Leidenden“, 35-64) zeichnet mit vielen Textbeispielen das körperliche Leiden Hiobs, aber auch das sich daraus ergebende seelische Leiden, dem er nicht entfliehen kann, nach – ein Leiden, das Hiob nicht nur körperlich quält, sondern auch in radikale Einsamkeit stürzt. All das trägt Hiob nicht in Geduld, sondern es stürzt ihn in Erbitterung und Auflehnung – gegen Gott. Dieser Gesichtspunkt wird im dritten Hauptteil („Hiob, die Geschichte eines Glaubenden“, 65-98) vertiefend beschrieben: Der Glaube des Hiob gibt sich nicht mit beschwichtigenden Antworten zufrieden, sondern lässt sich auf eine Auseinandersetzung mit Gott ein, in der er sogar mit einem Schwur seine Unschuld beteuert und damit Gott mittelbar des Unrechts bezichtigt. In diesen Rahmen fügt sich bestens eine Auseinandersetzung mit der Theodizeeproblematik ein, in der R. verschiedene Antwortversuche darstellt und, vor dem Hintergrund des Buches Hiob, als letztlich ungenügend erweist. Im vierten und letzten Hauptteil („Von Angesicht zu Angesicht: Hiob vor seinem Gott“, 99-125) beschreibt R. mit den beiden Gottesreden das, was seiner Ansicht nach die Absicht des Buches Hiob ist: Einerseits aufzuzeigen, „wie der Mensch in der Zeit des Leidens von Gott sprechen kann“ (102), und andererseits zu betonen, dass Gott menschliche Vorstellungen sprengt und daher nur in Begegnungen, die Gott dem Menschen schenkt, „erkannt“ werden kann: „Es wird keine Theodizee mitgeliefert; der Autor will im Angesicht des Leids keine Erklärungen bieten, die Gott rechtfertigen. Seine Ausführungen sind Theologie: Er zeigt das wahre Antlitz und Handeln Gottes, er führt hin zur Begegnung mit Gott, der dem Menschen entgegenkommt“ (123).
R. beschließt sein Buch mit „Anregungen zur weiteren Vertiefung“ (126-127), in denen er seine Leser dazu einlädt, das Buch Hiob, „möglichst anhand eines ausführlichen Hiob-Kommentars“ (126) nun selbst zu lesen und wie Hiob „das wahre Antlitz Gottes zu suchen – auf dem Weg der Reflexion und gedanklichen Vertiefung, vor allem aber durch eine, wenn man so will: ,mystische’ Erfahrung“ (126). Es ist diese gelungene Verbindung von Glaube und Verstand, wissenschaftlicher Information und geistlicher Aussage, Beschreibung menschlicher Leiderfahrung mit all ihren Schattierungen und Glaube, der Zweifel, Ringen und (An-)Klage einschließt, die das Buch auszeichnet. Es ermöglicht nach meinem Eindruck die Vermittlung von wirklicher Weisheit und bereichert alle, die den Gedanken des Autors folgen. Da es, wie gesagt, gleichzeitig einfach und gut geschrieben (und übersetzt) ist, eignet es sich sowohl für Schule (Oberstufen-Referate oder Präsentation) und Universität als auch für Gemeindearbeit und Erwachsenenbildung. Ja, auch diejenigen, die sich beruflich oder privat um Kranke, Leidende oder Trauernde kümmern, finden in diesem Buch sicher wertvolle Anregungen für ihren Dienst.

Sebastian Schneider

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 4, S. 208.