Reinhold Bernhardt
Ende des Dialogs
Die Begegnung der Religionen und ihre theologische Reflexion (Beiträge zu einer Theologie der Religionen 2)
Zürich: Theologischer Verlag 2005
293 Seiten
ISBN: 10-3-290-17391-7
Der in Basel lehrende evangelische Theologieprofessor Reinhold Bernhardt verbindet mit diesem Band eine gut gelungene Übersicht über den gegenwärtigen Diskussionsstand im Bereich der Theologie der Religionen mit einer profilierten eigenen Stellungnahme.
Angesichts der immer stärker ins Bewusstsein tretenden Doppelgesichtigkeit der Religionen mit ihren Versöhnungs- und Gewaltpotenzialen plädiert Bernhardt dafür, bestehende Bedrohungsängste wahr- und ernstzunehmen, dabei aber nicht im Bemühen um das Verstehen des religiös Anderen nachzulassen und eine statische Identitätsbestimmung der eigenen Religion zu vermeiden.
Im ersten Teil seines Werkes klärt Bernhardt die in der Theologie der Religionen verwendeten Leitbegriffe (15-31) und schildert die theologiegeschichtliche Entwicklung hin zum Dialog der Religionen im Laufe des 20. Jahrhunderts (31-79). Im zweiten Teil, der Hermeneutik der Religionen, werden verschiedene Verstehensmodelle religiöser Vielfalt diskutiert (81-165). Im dritten Teil schließlich geht es um die Theologie der Religionen in einem engeren Sinne. Nach einer ausführlichen Darstellung und Kritik der pluralistischen Theologie der Religionen (176-205) stellt Bernhardt einen eigenen Ansatz vor, der zentrale Intuitionen des Pluralismus aufnimmt, seine Aporien aber vermeiden möchte (206-275).
Bernhardts „mutualer Inklusivismus“ steht begrifflich und inhaltlich den Entwürfen von Michael von Brück und Michael Bongardt nahe und versucht, einen hermeneutischen Inklusivismus mit einer Wertschätzung religiöser Vielfalt zu verbinden. Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass die eigene Perspektive und Standortgebundenheit für keinen Dialogpartner hintergehbar und deshalb wechselseitig zuzugestehen ist. Im Rahmen der so entstehenden gegenseitigen Vereinnahmung gelte es, die jeweils fremde Tradition in die eigene Traditionsperspektive einzubeziehen, um so den eigenen Blickwinkel bereichern zu lassen. Dabei dürfe nicht pauschalierend von allen Religionen als Heilswegen gesprochen werden, sondern es werde nur die Möglichkeit offen gehalten, „in allen Religionen könne es – im Lichte der christlichen Tradition betrachtet – zu Durchbrüchen der Gnade Gottes kommen, aber immer auch zu deren Verdunklung und Verzerrung“ (212).
Nachdem er – wie viele neuere Autoren (z.B. Panikkar und Greshake) – die Trinitätstheologie als konzeptuellen Rahmen der Religionstheologie bestimmt (219-225), versucht er eine mit seinem potentiellen Pluralismus kompatible Christologie vorzulegen (225-247). Wichtig ist Bernhardt dabei, die Christologie nicht an die Theologie der Religionen anzupassen und Jesus von Nazareth zu einem Propheten unter vielen zu machen, sondern seine Revisionen der traditionellen Christologie unabhängig von seinen religionstheologischen Interessen zu begründen. In Anlehnung an Ogden plädiert Bernhardt für eine „von unten“ entwickelte Repräsentationschristologie, die Gottes Heilshandeln in Jesus Christus nicht als konstitutiv, sondern als repräsentativ für das Heil ansieht. Von entscheidender Bedeutung ist für dieses Unterfangen die geistchristologische Unterfassung des Ansatzes. Die Einheit Jesu Christi mit Gott sei „nicht als physische, sondern als personale zu denken: Nicht als hypostatische Union, nicht als Vereinigung unvereinbarer Naturen, sondern als vollkommene Einwohnung des Gottgeistes in dem erwählten Menschen, als Mensch-in-Gott und Gott-im-Menschen.“ (239) „Der Geist stellt das Kraftfeld dar, das von Beginn des kosmischen Prozesses an kreativ wirksam war, in dem Jesus gelebt und von dem er inspiriert war, das aber keineswegs exklusiv an seine Vergegenwärtigung gebunden ist.“ (246f.)
Auch wenn Bernhardt zu Recht betont, dass die Inkarnation durch diesen Ansatz nicht in die Pneumatologie aufgelöst wird, kann man doch fragen, ob er noch zureichend die unterschiedlichen Gestalten der Selbstzuwendung Gottes im Logos und im Geist unterscheiden kann und ob die einzigartige Ausnahmestellung dessen, was die christliche Tradition mit Inkarnation meint, wirklich zureichend eingeholt ist. Immerhin muss man Bernhardt zugestehen, dass er denken kann, dass der grenzsprengende Bundeswille Gottes umfassend und normativ in Christus Gestalt findet, so dass er auch seine interreligiöse Kriteriologie – anders als in den gängigen pluralistischen Modellen – an der Christusbotschaft entwickelt (259-265).
Zum Abschluss seiner Reflexionen bietet Bernhardt noch eine differenzierte Würdigung neuerer differenzbetonender Ansätze im Themenfeld der Theologie der Religionen, wobei besonders seine Auseinandersetzung mit der komparativen Theologie wichtige Einsichten entfaltet (276-280).
Insgesamt ist das Buch von Bernhardt gut geeignet, um einen Überblick über die aktuelle Debattenlage zur Theologie der Religionen zu erhalten und daher uneingeschränkt zu empfehlen. Die vorgeschlagene Option für einen mutualen Inklusivismus ist mehr ein Ausgangspunkt für die Bearbeitung religionstheologischer Probleme als deren Lösung. Aber gerade darin scheint mir ihr Wert zu liegen.
Klaus von Stosch
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 4, S. 204f.