Säkularisierungsdebatte - ein Irrtum?

Buchvorstellung - 25.05.2009

Stefan Knobloch
Mehr Religion als gedacht?
Wie die Rede von Säkularisierung in die Irre führt

Freiburg i.Br.: Verlag Herder 2006
204 Seiten
ISBN 3-451-29141-X

Die Frage nach dem Religiösen in Verbindung mit der biblischen Botschaft, der Lehre und Tradition der Kirche und dem Glauben des Einzelnen steht immer wieder im Fokus zahlreicher Diskussionen. Dabei geht es immer wieder kontrovers um Definitionen und Definitionsversuche, wenn Gläubige und Vertreter der Kirche miteinander um sprachliche Verständigungen, schriftliche Formulierungen oder gemeinsam klar als religiös erkennbare Bilder ringen.

Die seit einigen Monaten im kirchlichen Kontext intensiv diskutierten Ergebnisse der „Sinus-Milieu-Studie“ beispielsweise werfen einmal mehr deutliche Schlaglichter auf den Tatbestand, dass Vorstellungen der Katholischen Kirche für unterschiedliche Personengruppen unterschiedlicher Formulierungen und Bilder bedürfen.

 

Der em. Mainzer Pastoraltheologe Stefan Knobloch widmet sich in seinem Werk diesen Stichworten sehr grundlegend und analytisch. Er lehnt vordergründige Situationsbeschreibungen zu einer abnehmenden Religiosität oder einer scheinbar raumgreifenden Religions- oder Gottlosigkeit ab. In einem ersten Analyseschritt fragt er nach den Gründen solcher Beschreibungen, die er in einer eher internen religionswissenschaftlichen Fachdiskussion ausmacht. Versuchen zur Definition eines funktionalen und substantiellen Religionsbegriffs setzt er theologische Vergewisserungen gegenüber und verweist deutlich auf die „vielfach unentdeckte transzendentale Bezogenheit des Menschen, die in der christlichen Religion ... zur vollen Geltung kommt“ (S. 54).
Im zweiten Teil seines Buches widmet sich der Kapuziner der Frage „Wiederkehr oder epochaler Umbruch der Religion?“, die er vor dem Hintergrund von Religionstypologien, Säkularisierungstendenzen reflektiert, um anschließend Signaturen für den Umbruch der Religion zu formulieren.
Im abschließenden Kapitel zeigt Knobloch den Anspruch der Religion auf, das verborgene Geheimnis des Menschen zu bewahren. Nach Bezugnahmen auf das II. Vatikanische Konzil und auf Rahners Verständnis vom Menschen als „Wesen des Geheimnisses“ münden seine Überlegungen in richtungweisende Perspektiven, die für religiös Suchende, Gläubige und im kirchlichen Kontext Handelnde Orientierung und Wegweisung sein können. Zum Beispiel macht er auf die Notwendigkeit aufmerksam, dass Theologie eine „grenzüberschreitende Sprachfähigkeit“ leisten muss.
Sicher wegen der komplexen Materie kein einfach zu lesendes Buch, das jedoch der Forderung nach Sprachfähigkeit der Theologen auch für interessierte Nichttheologen gerecht wird.

Borromäusverein

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 4, S. 203f.