Der Koran
erschlossen und kommentiert von Adel Theodor Khoury
Düsseldorf: Patmos Verlag. 2005
352 Seiten mit 150 zumeist farbigen Abbildungen
ISBN 3-491-72485-6
Der Koran ist für die Muslime das geoffenbarte Wort Gottes. Was sich ihnen bei der Rezeption des Textes auf spiritueller und liturgischer Ebene erschließt, bleibt Nicht-Muslimen in der Regel verborgen. Dies gilt überdies für die ästhetisch-literarische Schönheit des Korans und seine Bedeutung.
Einen Beitrag zur allgemeinverständlichen Vermittlung leistet nun Adel Theodor Khoury. Der Autor, 1930 im Libanon geboren und bis 1993 Professor für Religionswissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, ist bereits durch viele Veröffentlichungen über den Islam, darunter eine Übersetzung des Korans ins Deutsche, als Fachmann für den interreligiösen Dialog ausgewiesen.
Die Mitte des Islams, so beginnt Khoury das erste Kapitel, sei ein Buch – der Koran. Er sei nach islamischem Glauben das endgültige Wort Gottes und dem Propheten Muhammad wörtlich übermittelt, um die Menschen zum Glauben zu führen, ihnen die Anweisungen Gottes bekannt zu machen und ihr Dasein als Einzelne sowie als Gemeinschaft zu leiten und zu regeln. Ähnlich sieht es der muslimische Dichter, Philosoph und Politiker Muhammad Iqbal, den Khoury zitiert: „[Der Koran] ist, wie Gott, verborgen und doch klar, lebendig und beständig, voll Verkündigung.“ Dass Khoury muslimische Intellektuelle und Texte aus der religiösen Literatur in Randspalten anführt, bereichert die im Mittelpunkt stehende, ausführliche Kommentierung ungemein – die immer wieder Platz macht für ein farbig hervorgehobenes Koranzitat. Die graphische Gestaltung des Bandes samt seiner zahlreichen Miniaturen, Kalligraphien und Fotos lässt den von Muslimen oft beschworenen Reichtum des Korans erahnen und erinnert an liebevoll gestaltete und farbenprächtige Ausgaben der Schrift in der islamischen Welt.
Khoury stellt die Entstehung und Struktur des heiligen Buches dar, ferner die Biographie des Propheten Muhammad sowie Überlegungen zum Selbstverständnis des Islams, zu Gott und Jenseits, Offenbarung und Propheten. Die detaillierte Addition jüdischer, christlicher und islamischer Quellen verdeutlicht, wie wichtig Abraham, nach Khoury der „Vater aller Gläubigen“, Mose, für den Islam der „Verkünder des Tora-Gesetzes“, und Jesus Christus, für die Muslime „einer der grössten Propheten der Religionsgeschichte“, in den drei Weltreligionen sind. Es folgen Kapitel zur prophetischen Sendung Muhammads, zum koranischen Menschenbild, zum Gesetz Gottes, zu zentralen religiösen Pflichten, Grundzügen koranischer Moral, muslimischer Spiritualität, Ehe, Familie und Gemeinschaft. Wo es hier um die Position der Frau geht, hätte der Autor besser getrennt zwischen koranischen Vorschriften einerseits und dem traditionellen Verständnis sowie kulturellen Einflüssen andererseits. Auch Hinweise auf entsprechende Textstellen im alten und neuen Testament wären nützlich gewesen.
Am Ende beschäftigt sich der exzellent recherchierte Band mit der Zukunft des Islams. Nach der Lehre der größten Rechtsschule des Glaubens werde die Grundidentität erreicht, wenn Muslime in einem Land lebten, das zwar nicht islamisch sei, ihnen aber Rechtssicherheit garantiere für Existenz, Eigentum und Religionsfreiheit. Dies sei in Deutschland wie im übrigen Europa der Fall. Sollten Muslime in diesen Breiten auf einem Sonderrecht für sich bestehen, seien Konflikte vorprogrammiert. Dennoch habe die islamische Diaspora in Europa eine Chance – wenn die Muslime ihr Heil nicht in extremistischen Bewegungen und radikalen Haltungen suchten. In toto liefert Khoury mithin Basismaterial für eine differenzierte Auseinandersetzung mit der zweitgrößten Weltreligion und Anregungen für eine soziale Integration in schwieriger Zeit.
Christine Leuchtenmüller
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 2, S. 86.