Darstellbarkeit Gottes in der Kunst

Buchvorstellung - 08.04.2009

Claudia Gärtner
Gegenwartsweisen in Bild und Sakrament
Eine theologische Untersuchung zum Werk von Thomas Lehnerer

Paderborn: Verlag Schöningh 2002
325 Seiten
ISBN 3-506-73788-0

Die umfangreiche Untersuchung Claudia Gärtners zur Sakramententheologie, insbesondere zur Theologie des Sakramentes der Eucharistie, geht der Frage der „Darstellbarkeit Gottes in den kategorialen Bedingungen der Welt“ nach.
 

„Wegen der sinnlich sichtbaren Grundstruktur der Sakramente ist“, so die Autorin, „die Sakramententheologie auf Reflexionen verwiesen, die dieses Charakteristikum wahrnehmen und berücksichtigen.“ Dass hier die Kunst, näherhin die bildende Kunst eine herausragende Bedeutung hat, ist einsichtig. Claudia Gärtner geht dabei nun nicht allen Bildern nach, sondern konzentriert ihren Versuch, Elemente einer Sakramententheologie als Bildtheologie zu entwerfen, am Werk des Münchner Künstlers Thomas Lehnerer (1955-1995). Lehnerer, der in München Theologie, Philosophie und Kunst studierte und mit einer Arbeit über Schleiermacher promoviert wurde, zählt zu den wichtigen jungen Künstlern in Deutschland in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Bei Friedhelm Mennekes berühmten Frankfurter Kunstausstellungen war er dabei. Lehnerers Kunsttheorie, die ausführlich vorgestellt wird, wohl aber nicht gänzlich von seiner Schleiermacher Rezeption frei ist, und seine künstlerische Arbeit, ist der Autorin Anlass, über den Zusammenhang von Sakrament und Bild nachzudenken. Dabei bezieht sie die Geschichte von Bildtheorien in der Sakramententheologie vom biblischen Befund bis zu neueren Entwürfen der Sakramententheologie und darüber hinaus zu George Steiners Essay „Von realer Gegenwart. Hat unser Sprechen Inhalt?“ in ihre Überlegungen ein und kommt auf dem Hintergrund der zeitgenössischen Kunst und ihres Nachdenkens über Bilder zu „Persprektiven einer sakramententhologischen Bildtheorie“.

Dem kunstinteressierten Theologen und der kunstinteressierten Theologin sind die Überlegungen von Claudia Gärtner grundsätzlich nicht fremd, in der Fülle allerdings sehr bereichernd. Die Beziehungen von Bild und Sakrament und umgekehrt sind gerade auch in der bildenden Kunst der Moderne seit Marcel Duchamp evident und aufschlussreich und können auch für die zeitgenössischen Kunst aufgezeigt werden. Es ist das Verdienst der Autorin, diese Zusammenhänge an einem Werk, das sich selbst freilich mit theologischen Begriffen reflektiert, aufgezeigt zu haben, also eine bildnerische Probe aufs theologische Exempel gemacht und den Bildbegriff der Sakramententheologie unter den Bedingungen künstlerischer Bildentwürfe näherhin bedacht, ja schließlich überhaupt auf die Bedeutung des Themas Bild und Sakrament in einer breiten Untersuchung aufmerksam gemacht zu haben. Ob freilich das Ergebnis der Untersuchung wirklich genügt und weiterführt, muss zunächst einmal mit Claudia Gärtner offenbleiben. Sie selbst schließt ihre Arbeit eher einschränkend. Dennoch, Gärtners Ergebnisse sind durchaus diskursfähig. Daran weiterzuarbeiten, ist für den Theologen wie den Kunsthistoriker lohnend. (Dass Gärtner dabei den anderweitig vorgelegten sakramenten- und kunsttheoretischen Ansatz des Rezensenten „für sakramententheologische Fragestellungen als perspektivenreich“ beurteilt (S. 245), freut den Rezensenten – mit Verlaub, bei aller Bescheidenheit.)

Diese Weiterarbeit wäre sinnvoll und notwendig in der Dogmatik und Fundamentaltheologie, aber auch im Religionsunterricht und der theologischen Erwachsenenbildung. Hier wäre der Ort, bei der Bildbetrachtung vor Originalen im Museum – insbesondere wenn keine vordergründig religiösen Sujets betrachtet werden – über den Zusammenhang von Bildstruktur und Sakramentenstruktur nachzudenken. Das könnte, weil unmittelbar erfahrungsbezogen, tiefer führen als die übliche eucharistische Sakramentenkatechese mit ihrem Gerede vom heiligen Brot oder dem Taufwasser, das auch die Blümchen keimen lässt. Kunstbetrachtung aber auch Kunstproduktion ist eben, geschieht beides intensiv, meistens eine Auseinandersetzung im Feld sakramentaler Strukturen und sakramentalen Denkens wie umgekehrt sakramentale Vollzüge ins Feld der Kunst verweisen.

August Heuser

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 2, S. 84f.