Hans Küng
Der Anfang aller Dinge
Naturwissenschaft und Religion
München-Zürich: Piper Verlag 4 2005
247 Seiten
ISBN: 3-492-04787-4
Hans Küng gelingt mit seinem Buch ein guter erster Überblick über das komplizierte Geflecht der gegenwärtigen Diskussionslage von Naturwissenschaft und Theologie. Ohne sich in Details zu verlieren, bietet er einen kenntnisreichen Gang durch einige der wichtigsten Gesprächsgebiete.
Dabei kann man schon von der handbuchartigen Anlage des Buches her keine innovativen Impulse erwarten. Dafür bietet Küng einen äußerst gut verständlichen, essayartig geschriebenen Überblick. Er greift öfters auf eigene ältere Beiträge zurück, schreibt seine bekannten Positionen aber unter Einbeziehung aktueller Debattenbeiträge v.a. auch aus dem englischsprachigen Raum fort und bündelt sie in übersichtlicher Weise.
Insgesamt setzt Küng in seinen Überlegungen auf einen kritisch-konstruktiven Dialog mit den Forschungsergebnissen der Naturwissenschaften, in dem der je eigene Zugang von Theologie und Naturwissenschaft gewahrt bleibt, „in dem man jedoch in gegenseitiger Befragung und Bereicherung der Wirklichkeit als ganzer in allen ihren Dimensionen gerecht zu werden versucht“ (57). Wie so oft in seinen Schriften bemüht sich Küng auf diese Weise um die Versöhnung von Rationalität und christlichem Glauben und nimmt einmal mehr den Gestus des kirchenkritischen Aufklärers ein. Inhaltlich bewegt er sich aber durchweg im katholischen Mainstream und bräuchte sich keine Sorgen zu machen, mit diesem Buch auf irgendeinem römischen Index zu landen.
Gegliedert ist Küngs Werk in fünf große Abschnitte. Im ersten Abschnitt Eine vereinheitlichte Theorie für alles? (15-58) geht er v.a. Grundlegungsfragen nach und bietet neben einer knappen Darlegung des Grundlagenstreits in der Mathematik, eine Würdigung der Bemühungen der Physik, dem Rätsel der Wirklichkeit auf die Spur zu kommen und es in einer Weltformel zu durchdenken. Im zweiten Kapitel Gott als Anfang? (59-101) geht Küng nach etwas langatmiger Rekapitulation bekannter Positionen aus Existiert Gott? auf die neuere Diskussion um die kosmische Feinabstimmung ein, ohne dabei allerdings alle theologischen Anwendungsmöglichkeiten (wie z.B. im Rahmen der neueren Theodizeedebatte) dieser Diskussion im Auge zu haben. Danach versucht Küng im dritten Abschnitt Weltschöpfung oder Evolution? (102-146) in der (Kardinal Schönborn zum Trotz) weithin üblichen Weise deutlich zu machen, dass und wie sich der christliche Schöpfungsgedanke mit dem Evolutionsdenken zusammenbringen lässt. Das vierte Kapitel Leben im Kosmos (147-179) geht der Frage nach der Entstehung menschlichen Lebens nach und geht dabei auf die interessanten Diskussionen um das Wirken Gottes in der Welt ein. Im fünften Kapitel schließlich, Der Anfang der Menschheit (180-217), bemüht sich Küng um einen Überblick über die Debatte um physische und psychische Entwicklung des Menschen, gibt eine kompetente Einordnung der Hirnforschungsdebatte und geht auf diachrone und synchrone Ähnlichkeiten im Bereich des menschlichen Ethos ein. Ein Epilog über Das Ende aller Dinge (218-226), in dem er sich kritisch mit dem Missbrauch apokalyptischer Bilder auseinandersetzt, rundet Küngs Durchgang ab. Bemerkenswert sind dabei die an Pascals Wette orientierten letzten Bemerkungen zur Rationalität des Gottesglaubens, die Küng als Person sichtbar machen und andeuten, was ein Sterben ins Licht hinein bedeuten kann.
Nicht immer erschließt sich einem die Art der Gliederung der einzelnen Unterabschnitte, da bestimmte naturwissenschaftlich naheliegende Querverbindungen nicht gezogen werden. Die einzelnen Kapitel des Buches kann man durchaus auch unabhängig voneinander lesen. Entsprechend lässt sich das Buch auch (trotz der leider fehlenden Register) gut als Nachschlagewerk nutzen, um sich gezielt über die ein oder andere Debatte zu informieren, zumal die Anmerkungen so gehalten sind, dass sie eine gründlichere Einarbeitung ermöglichen. In erster Linie sei das Buch allen ans Herz gelegt, die die Debatten zwischen Naturwissenschaft und Theologie der letzten Jahre nicht genau verfolgt haben und einen Überblick suchen, der sie kompetent an den status quaestionis heranführt.
Klaus von Stosch
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 1, S. 42.