Psychogruppen - Sekten

Buchvorstellung - 27.04.2009

Roland Biewald/ Harald Lamprecht
Religiöse Sondergemeinschaften, Psychogruppen, Sekten
Themenhefte Religion 5

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2005
96 Seiten
ISBN 3-374-02331-2

Nach wie vor sind die Themen „Sekten/Psychogruppen“ sowie „Okkultismus/Satanismus“ vom Lehrplan im Religionsunterricht vorgesehene Themen und werden gelegentlich auch von den Schülern gewünscht. Um so wichtiger ist es, mit aktuellem Material darauf einzugehen, das nicht den Informationsstand der 70er Jahre über die damals so genannten „Jugendsekten“ widerspiegelt oder gar in Medien aus dieser Zeit (die in manchen Bibliotheken überwintern) Gruppen porträtiert, die heute gar nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr so wie damals existieren.

Hier füllen die beiden didaktischen Arbeitshilfen aus der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig wirklich eine Lücke. Sie sind entstanden aus der Zusammenarbeit des Sektenbeauftragten der Ev. Landeskirche Sachsen, Dr. Harald Lamprecht, mit dem Religionspädagogen Prof. Roland Biewald. Der „Sekten“-Band stellt zunächst die Grundfrage „Was ist eine Sekte?“, um dies dann an 4 typischen Gemeinschaften zu exemplifizieren: den Mormonen als einer klassischen, aus dem Christentum heraus erwachsenen Sekte; dem „Bruno-Gröning-Freundeskreis“ als einer esoterisch-spirituellen Heilungsbewegung; dem Osho-Bhagwan-Kult als Beispiel einer sich wandelnden Guru-Bewegung und der Scientology-Organisation als Prototyp eines Psychokults. Für alle Gruppen steht eine didaktische Auswahl von Quellentexten, kritischen Kommentaren und z. T. Betroffenen-Berichten zur Verfügung. Damit lässt sich wohl ab Klasse 9/10 arbeiten. Hinzu kommt eine Auswahl allgemeiner, weiter führender Literatur, wohl eher für Lehrende gedacht oder allenfalls für die gymnasiale Oberstufe. Erfreulich ist die Angabe von Homepages als Quellentexte; was fehlt, sind Hinweise auf audio-visuelle Medien.

Ähnlich aufgebaut ist das Heft zum Thema „Okkultismus/Satanismus“. Hier ist der grundsätzliche Deutungsansatz besonders wichtig. Okkultismus wird hier beschrieben als „Abhängigkeit eigener Entscheidungsfindung und Lebensführung vom Glauben an eine beeinflussende Macht: also die Annahme einer Fremdbestimmung durch magische Kräfte. Zu Recht wird die „Angst-Besetztheit“ einer solchen Weltsicht herausgestellt. Dem wird sowohl eine psychologische Deutung vieler vermeintlich okkulter Erfahrungen gegenüber gestellt als auch ein christlicher Glaube, der destruktive Bindungen unterschiedlichster Art durch die positive Bindung an Gott überwindet. Sehr sorgfältig wird auch der Satanismus theologisch an seinen Platz verwiesen: „Wir brauchen uns nicht davor zu führten, dass Satanisten durch den Teufel eine besondere Macht bekämen, etwa zu okkult-magischen Praktiken befähigt würden. Sie können nicht mehr und nicht weniger als das, wozu Menschen fähig sind. Das allerdings kann furchtbar sein“. neben der allgemeinen Analyse werden dann noch Besonderheiten des – wirklichen oder vermeintlichen – Okkultismus und Satanismus unter Jugendlichen angesprochen.

Auf diese grundsätzlichen psychologischen und theologischen Erläuterungen folgt eine didaktisch orientierte Materialsammlung, hier sogar eingeleitet durch eine detaillierte Verlaufsplanung für eine Unterrichtseinheit. Die Materialien wiederum wechseln zwischen analytischen Texten, literarischen Texten und Erfahrungsberichten. Manche können unmittelbar als Arbeitsblatt oder Tafelbild verwendet werden. Audio-visuelle Medien werden auch hier nicht genannt.

Beide Arbeitshilfen zeichnen sich durch inhaltliche Solidität und unaufgeregte Darstellung aus. Damit passen sie zum heutigen Stand der Diskussion, der die unübersichtliche Pluralisierung des Weltanschauungsmarktes kritisch analysiert, aber auf Totschlag-Vokabeln wie „Gehirnwäsche“ verzichtet. Damit enttäuschen die Arbeitshilfen vielleicht manchen sensationslüsternen Schüler (die vor allem beim Thema Satanismus manchmal auf „Sex and Crime“ hoffen). Sie eignen sich aber vorzüglich für die sachliche Analyse einer zeitlosen Thematik auf dem aktuellen Stand der Information und Diskussion.

Lutz Lemhöfer

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 35 (2006), Heft 1, S. 40f.