Wolfgang Pauly
Abschied vom Kinderglauben
Ein Kursbuch für aufgeklärtes Christsein
Oberursel: Publik-Forum Edition 2008
256 Seiten
ISBN 978-3-88095-173-0
Was ist ein Kinderglaube? Kinder können mit großem Staunen sowohl Schöpfungsberichte der Religionen als auch die Erkenntnisse der Kosmologie und der Evolutionstheorie aufnehmen und sich dafür begeistern, und sie wissen, dass beides wahr ist. Kinder wissen, dass vor ihnen der Hl. Nikolaus steht und wissen gleichzeitig, dass sich hinter seinem dichten Bart das Gesicht ihres Vaters verbirgt.
Beides in Eines zu denken machten ihnen keine Schwierigkeit. Kurz vor der Pubertät wird diese Harmonie durch das kritische Bewusstsein zerstört. Jetzt heißt es Abschied nehmen vom Kinderglauben. Nicht zu Unrecht schaut der Engel auf dem Einband des Buches „Abschied vom Kinderglauben“ von Wolfgang Pauly daher ein wenig traurig. Doch das Buch will Mut machen und Wege aufzeigen. Es versteht sich als „Kursbuch“, wie es im Untertitel heißt. In zehn Themenblöcken, wie „Glauben“, „Schöpfung“, „Wunder“ oder „Reich Gottes“ – um nur einige zu nennen – stellt Pauly naive Engführungen des Glaubens dar und öffnet sie für den Horizont heutiger Welterfahrung. Der Autor schöpft aus profundem theologischem Wissen, das er klug ordnet, interpretiert und in eine allgemein verständliche Sprache fasst. Jedem Kapitel ist eine Liste der wichtigsten Literatur zum Thema beigefügt, die zum eigenen Studium einlädt. Wolfgang Pauly wirbt für einen Glauben, der sich nicht als immer neuer Lückenbüßer zur Erklärung von bisher Unbekanntem verschleißt oder sich gar dem Bekannten trotzig widersetzt, wie es z. B. im Kreationismus geschieht, sondern der die Tiefendimension der Welt erschließt. Eine neue Dimension also, bei der alle anderen Dimensionen der Wirklichkeit ihren Eigenwert behalten und dennoch in anderer Perspektive erscheinen. Im Ernstnehmen der Welt und ihrer eigenen Gesetzlichkeit ist Pauly radikal. Gewohnte Glaubensvorstellungen und Dogmen werden kritisch hinterfragt und damit einer neuen Interpretation geöffnet. So werden „Stolpersteine“ des Glaubens beiseite geräumt, ohne dass der Glaube seine Anstößigkeit verliert. Es werden Türen geöffnet, die einen weiten Blick auf neue Wege ermöglichen, auf denen voranzuschreiten aber dem Leser selbst aufgegeben ist. Paulys Gedanken sind keine fertige Lösung für Glaubensfragen heutiger Menschen, aber sie machen den Glauben wieder anschlussfähig an das aufgeklärte Denken. In einer Zeit des verbreiteten Rückzugs in Gefühlsreligion und unreflektierten Ritualismus ist ein Buch wie dieses immens wichtig. Im Oberstufenunterricht bietet es sich für die im Lehrplan empfohlene Lektüre einer Ganzschrift an.
Elmar Middendorf
Quelle: Religionsunterricht heute. Informationen des Dezernates Schulen und Hochschulen im Bischöflichen Ordinariat Mainz 36 (2008), Heft 3, S. 36.