Schöpfung: Glaube und Naturwissenschaft

Buchvorstellung - 19.08.2009

Helmut Fischer
Schöpfung und Urknall
Klärendes für das Gespräch zwischen Glaube und Naturwissenschaft

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2009
144 Seiten
ISBN 978-3-290-17513-9

Helmut Fischer war Direktor am Theologischen Seminar Friedberg und arbeitet seit seiner Emeritierung 1991 in Erwachsenen- und Lehrerfortbildung. In seinem Buch hat er es sich zur Aufgabe gemacht, Schöpfung theologische Aussagen und Aussagen der modernen Naturwissenschaft zu referieren und Schlüsse aus der Gegenüberstellung doziert.

Sein Fazit: Die jeweilige "Wahrheit" von Aussagen des Glaubens kann mit "Wahrheiten" der Naturwissenschaft deshalb nicht in Konflikt oder in Konkurrenz geraten, weil sie sich auf unter-schiedliche Perspektiven und Systeme der Betrachtung bezieht. Konflikte - genauer: Scheinkonflikte - entstehen dort, wo einer der Gesprächspartner oder auch beide nicht beachten, in welchen Fragerahmen ihrer Aussagen gehören, oder wann die eigene Sicht zur absoluten Wahrheit erklärt wird. Das Buch erhebt keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, exakte Quellenangaben fehlen. Das ist manchmal ungünstig. Wenn zum Beispiel das Weltalter mit 13 bis 20 Milliarden Jahren (131) angegeben wird, würde man gerne wissen, wo Fischer die Zahl her hat. Wikipedia gibt das Alter des Universums seit längerem mit 13,7 Milliarden Jahren an aufgrund der Vermessungen der kosmischen Hintergrundstrahlung [wikipedia.org/wiki/Universum#Alter_und_Zusammensetzung] mit einer Ungenauigkeit um 10%.

Eine Ausnahme vom Verzicht auf exakte Quellenangaben macht der Autor, wenn er katholische Dogmen zitiert. Der Lehre, dass Gott mit dem Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiss erkannt werden kann (DH 3004), wirft er einen Zirkelschluss vor, weil in dieser Lehre Gott vorausgesetzt sei. (115) Das träfe zu, wenn das Konzil einen Gottesbeweis formuliert hätte. Das ist aber nicht der Fall, sondern das Konzil leitet aus der Offenbarungswahrheit, dass Gott auch der Schöpfer der menschlichen Vernunft ist, ab, dass diese Vernunft, wenn sie über die Existenz Gottes unvoreingenommen nachdenkt, zu dem richtigen Urteil kommen müsse, dass er existiert.

Leider sind die naturwissenschaftlichen Angaben des Buches unzuverlässig und nicht auf dem neuesten Stand. So sagt Fischer: Die Quantenphysik macht die Vorstellung unmöglich, dass das Universum wie ein Uhrwerk nach festgelegten mechanischen Gesetzen funktioniere und eindeutig determiniert sei. (91) Für diese Einsicht war die Quantenphysik nicht erforderlich, wie Ilya Prigogine, Nobelpreisträger für Chemie 1977, in seinen Büchern gezeigt hat [Zuletzt Ilya Prigogin, Isabelle Stengers: Das Paradox der Zeit, dt. München 1993, zu Boltzmann S.40-50]. Denn in der klassischen Physik sind Messwerte als reelle Zahlen definiert, die man niemals unendlich genau feststellen kann. Deshalb entwickelte bereits Ludwig Boltzmann ab 1872 eine statistische Mechanik, um die Vorgänge in Gasen und Flüssigkeiten zu beschreiben.

Zuletzt drei kritische Bemerkungen zur Grundaussage des Buchs:

  • Die beiden biblischen Schöpfungsgeschichten erinnern uns in ihrer altorientalischen Sprachform daran, dass wir nicht die Herren dieser Welt sind, sagt Fischer (140) in direktem Widerspruch zu Genesis 1,28. Die ökologische Fragestellung lag der Bibel eben genau so fern wie die experimentellen Methoden der neuzeitlichen Naturwissenschaft.
  • Wer den katholischen Wahrheitsabsolutismus ablehnt, dürfte eigentlich Wahrheits-Relativismus nicht als Abwertung begreifen. (114)
  • Dass Konflikte zwischen Glauben und Wissenschaft zu Scheinkonflikten werden, wenn man nur die Fragerahmen beachtet, leuchtet mir nicht ein, denn erstens kann man niemandem vorschreiben, wie er seinen Fragerahmen wählen will, und zweitens könnte ich mir durchaus naturwissenschaftlich begründete Aussagen vorstellen – zum Beispiel, dass das Universum ewig sei, oder dass unsere geistigen Tätigkeiten mit mechanisch determinierten Prozessen im Gehirn identisch seien -, die mit meinem Glauben unvereinbar wären; glücklicherweise treffen solche Aussagen nicht zu, was wiederum meine Glaubenszweifel nicht beseitigt, aber vorläufig beruhigt.

Man fragt eben immer als ganzer Mensch und kann im Labor die Glaubensüberzeugungen nicht an der Garderobe abgeben, und in der Kirche die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse nicht vergessen. Warum auch?