Jugend im Web 2.0

Buchvorstellung - 05.10.2009

Jürgen Ertelt/ Franz Josef Röll (Hg.)
Web 2.0
Jugend online als pädagogische Herausforderung
Navigation durch die digitale Jugendkultur

München: kopaed 2008
269 Seiten
ISBN 978-3-86736-031-9

Der von Jürgen Ertelt und Franz Josef Röll herausgegebene Sammelband hält, was er im Titel verspricht. Er vermittelt einen Einblick in die digitale Jugendkultur des Web 2.0 und navigiert den Leser durch unterschiedliche Anwendungsbereiche und Webangebote. Dass dabei die Bedeutung des Begriffs „Jugend“ weiter gefasst ist als dies gemeinhin in pädagogischen Standardwerken geschieht, mag den im Alter etwas fortgeschrittenen Web-User dieser Angebote erfreuen. Für die Verwendung des Begriffs spricht dennoch der Fokus der Beiträge.

Alle Autoren/innen bemühen sich um den Blick auf die Herausforderung für Lehr-Lernprozesse, die von diesen Entwicklungen ausgehen. Aus ihren je spezifischen Blickwinkeln auf die unterschiedlichen Formate der Web 2.0-Angebote ist ihnen die Frage nach dem pädagogischen Potenzial, das in diesen Angeboten steckt, gemeinsam: Wie kann dieses „neue Medium für die Jugendinformation und die Bildungsarbeit nutzvoll eingesetzt werden“?

In vier Kategorien tragen neben den beiden Herausgebern weitere 14 Autorinnen und Autoren ihre Arbeitsergebnisse und Erfahrungen bei. Unter Grundlegendes wird ein Überblick über Tendenzen und Entwicklungen im Web 2.0 aufgezeigt und wie sich Jugendliche in diesen Angeboten bewegen und sie aktiv nutzen. In Beobachtungen erhält der Leser Informationen über den juristischen Rahmen und die Gefahren für die Persönlichkeitsrechte und die Privatsphäre. Anschließend berichten die Autorinnen und Autoren über ihre Modelle mit neuen Medien in der Jugendarbeit, über konkrete Anwendungen und Optionen. Über Blogs, Wikis und Podcasts als Formate der Kommunikation miteinander bis hin zu Handynutzung und GSP (Geocaching) werden Projekte vorgestellt, in denen diese Formate in der Jugendarbeit und Arbeit mit Jugendlichen sinnvoll – letztlich in pädagogischen Zusammenhängen – genutzt werden können. Dabei kommen auch aufwendigere Formate und Möglichkeiten wie Computerspiele und Filmanimationen zu Wort. Im abschließenden Ausblick werden Visionen entworfen, wohin sich die pädagogische Arbeit entwickeln wird/kann. Hier hat mich persönlich der Beitrag von Michael Lange über Bildungspotenziale von virtuellen Welten, wie z.B. Second Life besonders überzeugt. Vor allem deshalb, weil die bereits existierenden Angebote und die potenziellen pädagogischen Möglichkeiten der 3-D-Welten überzeugend ausgelotet sind.
Alle Beiträge sind dem Bemühen geschuldet, einen Überblick über die jeweiligen Web-Angebote zu geben und das pädagogische Potenzial anzudeuten. Dass dabei vieles nur angerissen und kaum vertieft werden kann, ist dem Rahmen der Publikation geschuldet. Dennoch unterschieden sich die Beiträge in der Durchdringung ihrer Themen. Eine gute Entscheidung der Herausgeber war es m.E., Beiträge über die Veränderung von Lernen und Lehren im Kontext der neuen Medien und über Beziehungs- und Kommunikationskultur mit aufzunehmen (F.J.Röll: Lernbausteine für die Web 2.0 Generation, S.59-84; ders. Zur Stärke von schwachen Beziehungen – Kommunikationskultur und Gemeinschaftsbildung als Ausdruck von Identitätssuche, S.119-137). Damit werden nicht nur die konkrete praktische Beschäftigung mit den Angeboten in der Jugendarbeit vorgestellt und deren Chancen gerühmt, sondern grundsätzliche Veränderungen in Bezug auf Kommunikation, Konstruktion und Beziehung zum Lernangebot zumindest angesprochen und für ein kritisches Nachdenken vorbereitet
Insgesamt ist der Sammelband von einem sehr euphorischen Blick auf die neuen Medien und das darin antizipierte pädagogische Potenzial geprägt. Letztlich alle Autorinnen und Autoren sind als Experten/Expertinnen von der notwendigen Implementierung ihres Teilbereiches in die Jugendarbeit überzeugt. Lediglich die Beiträge, die sich juristischen Fragen widmen, sind von dieser positiven Sichtweise etwas ausgenommen.
Die Publikation lohnt der Lektüre deshalb, weil sie m.E. einen profunden Überblick über die derzeitigen Web-Angebote bietet und Chancen ihres pädagogischen und didaktischen Nutzens andeutet. Sie wurde m.E. zu Recht von verschiedenen Institutionen gefördert
Der Geschäftsführer von Schulen ans Netz e.V. – einer der Förderer – bringt in seinem Vorwort sehr präzise zum Ausdruck, auf welchen Feldern sich die Veränderung durch das Lernen mit neuen Medien zeigt. Zum einen wird strategisches Wissen wichtiger, damit die Informationen im Web 2.0 sinnvoll erschlossen und genutzt werden können. Zum anderen verändert sich die Rolle des Pädagogen/Lehrers vom Lehrenden hin zum Moderator. Zum dritten muss der Begriff Medienkompetenz neu justiert werden, wenn der Mediennutzer sich aktiv im Netz beteiligt. Das ist alles sicherlich nicht neu, bietet m.E. aber dem Leser ein sinnvolles Analyseschema, in dessen Rahmen die Beiträge des Sammelbandes gelesen und reflektiert werden können.


Frank Wenzel