Scientology

Buchvorstellung - 27.02.2010

Jana Jacobi
Scientology
Ein Blick hinter die Kulissen
(Topos TB 625)

Kevelaer: Verlagsgemeinschaft Topos plus 2008
142 Seiten
ISBN 978-3-8367-0652-0

Bücher und Medienberichte zu Scientology gibt es reichlich. Dennoch füllt das vorliegende Buch (erstmals 1999 erschienen, jetzt in Neuauflage) eine Lücke. Denn während andernorts viel darüber zu lesen ist, wo überall Scientology wirklich oder vermeintlich aktiv ist und mit welch üblen Methoden Menschen dort unter Druck gesetzt und finanziell ausgebeutet werden, wird hier der ideologische Hintergrund systematisch dargestellt: Die Lehre der Scientology Organisation.
 

Der Gründer, L. Ron Hubbard (1911-1986), hat nach durchaus erfolgreichen Science-Fiction-Romanen ein in der Tat an Science Fiction angelehntes Gedankengebäude erst (1950) als vermeintliche Wissenschaft und später (1953/54) als Religion konstruiert. Es soll die Funktionsweise des menschlichen Geistes erklären und Möglichkeiten eröffnen, das Mängelwesen Mensch zu vervollkommnen und ihm geradezu übermenschliche Fähigkeiten (wie Seelenreisen jenseits des Körpers) zu verschaffen. Diese in den Hubbardschen Originalschriften (5000 Schriften und 3000 Tonbandaufzeichnungen) wirr und wortreich dargebotene Lehre von Mensch und Kosmos stellt die ehemalige Scientologin Jana Jacobi (Pseudonym) in knapper und klarer Zusammenfassung vor. Sie erklärt das Modell eines aus Thetan (Geistseele), Sinn (Verstand) und Körper bestehenden Menschen, der von der Plage ihm anhaftender unzähliger fremder Geistseelen aus früheren Leben (dem eigenen sowie fremden) nur mit scientologischer Verfahren befreit werden kann. Herzstück ist das sog. Auditing: eine äußerlich an Psychotherapie erinnerndes Frage- und Antwortspiel, mit dessen Hilfe negative Ladungen und Blockierungen des menschlichen Geistes angeblich gelöscht werden können; mess- und ablesbar sei das am E-Meter, einer Art Hautwiderstandsmesser, vergleichbar einem Lügendetektor. Die Befreiung bleibt aber immer unvollständig und erheischt auf jeden Fall eine Kette weiterer Psycho-Kurse. Selbst diese äußerst mechanistisch gedachte „Erlösung“ steht sozusagen unter dem eschatologischen Vorbehalt ständig weitergefundener Fehlerquellen und weiterer – teuer zu bezahlender – Reparatur-Kurse. Verknüpft ist dieses Menschenbild mit einem reichlich phantastischen Ursprungs-Mythos, wonach vor 75 Millionen Jahren ein planetarischer Tyrann namens Xenu die Mehrzahl aller Bewohner der 76 Planeten tötete, deren frei gewordene Geistseelen seitdem im Raum umherschwirren und sich (zu Hunderten) neue Wirts-Menschen suchen. Letztere können sich heute endlich dank vielfachen Auditings von diesen Plage- Geistern befreien (lassen), ohne allerdings schon ans Ende zu kommen. Das bedarf der Öffnung neuer OT-Stufen auf der „Brücke zur völligen Freiheit“. Jana Jacobi bringt das Kunststück fertig, diese bizarre Lehre in einigermaßen verständliche und systematische Form zu bringen und ihre wichtigsten praktischen Anwendungen zu skizzieren. Fakten zu Hubbards Biographie, zum Preissystem der Scientology und dem unterdrückerischen Kontrollsystem („Ethik“) runden das Bild ab. Ein nützliches Glossar wichtiger, in der Alltagssprache unbekannter scientologischer Fachbegriffe ermöglicht gezieltes Nachschlagen. Nur die Adressenliste von Beratungsstellen ist offenbar in der Neuauflage nicht erneuert worden und deshalb voller Fehler – ein grober Patzer in einem sonst sehr lesenswerten und informativen Buch. Wer in der Schule das Thema „Scientology“ behandeln will, findet hier fürs eigene Verständnis eine gute Grundlage, die auch für Schüler und Schülerinnen von Klasse 11 aufwärts lesbar erscheint. Kombiniert mit aktueller Medien-Berichterstattung oder Erfahrungsberichten ermöglicht dieses Buch ein angemessenes Verständnis des modernen Psychokults Scientology.

Lutz Lemhöfer

Quelle: Eulenfisch Literatur 1 (2008), Heft 1, S. 62f. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]