Monika Tworuschka/ Udo Tworuschka
Die Welt der Religion
Islam
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2007
216 Seiten
ISBN 978-3-579-06481-9
Was haben wir hier in der Hand? Einen Bildband zum Islam, könnte die erste Antwort sein. Dann drängt sich die Frage auf, worin sich die Veröffentlichung von Monika und Udo Tworuschka von den anderen Bildbänden unterscheidet. Normalerweise gehören sie zu Reihen wie Time-Life-Bücher, die den Islam in die Weltkulturgeschichte einreihen, oder in die Reihe Weltatlas der alten Kulturen mit Akzent auf Kartenmaterial.
Bildbände sind auch zu speziellen Themen entstanden wie zur islamischen Architektur, zum islamischen Gartenbau, zu Harem, Hamam und Bazar, zu Kalligraphie und Keramik. Ausstellungskataloge, die sich mit den Kreuzzügen, den gegenseitigen Einflüssen und dem Kulturaustausch u.v.m. befassen, nehmen wir der Einfachheit halber jetzt gar nicht in den Blick. Normalerweise sind die genannten Bände der Reihen Übersetzungen, die Autoren oft Journalisten. Dagegen haben wir es mit der vorliegenden Publikation mit einer deutschen Originalausgabe und mit den Tworuschkas mit ausgewiesenen Experten in Religions- bzw. Islamwissenschaften zu tun. Der Inhalt gibt davon Zeugnis. Vieles, was sich in den gängigen Einführungen zum Islam findet, wird auch hier aufbereitet: die Entstehung des Islam, wesentliche Merkmale des Islam und seine Geschichte. Aber schon unter den Themen der islamischen Ethik wird deutlich, dass sich die Autoren mit dem Islam-Diskurs in Deutschland befassen und ihre Infos einspeisen wollen. Geschlechterbeziehungen im Kontext mit sog. Ehrenmorden, Bekleidungsvorschriften im Kopftuchstreit, sportliche Betätigung im Erziehungswesen, Einstellung zur Tierwelt in der Debatte um Schächten und Tierschutz, natürlich Menschenrechte und Demokratie - diese ethischen Fragen unterscheiden in ihrer Aktualität für den Minderheiten-Islam in Europa diesen Bildband von den früheren. Dazu kommt die Darstellung des Islam in ausgewählten Ländern u.a. auch in Deuschland. Kurz, es liegt uns eine Einführung in den Islam vor, die mit reichem Bildmaterial ausgestattet ist. Das Bildmaterial hat eine zweite Funktion zusätzlich zur Illustration und Veranschaulichung. Es macht wie jedes gute Bild Stimmung im umfassenden Sinn und bildet Meinung. So dürfte es kein Zufall sein, dass sich von Shirin Ebadi, der Friedensnobelpreisträgerin, ein Foto auf S. 133 findet, das sie ohne Kopfbedeckung zeigt, oder auf S. 102 Fußball spielende Frauen in einem Teheraner Park, deren Kopftücher nicht mehr so sitzen, wie wir uns im Westen die Grenzen für das Einschreiten der Sittenpolizei vorstellen. In den Illustrationen wird die kulturelle, ethnische, gesellschaftliche und theologische Vielfalt des Phänomens Islam dargestellt und die Meinungsbildung des Betrachters gelenkt, was in den Texten zu kurz kommen musste. Die Texte machen der Einführung in den Islam alle Ehre. Sie sind komplex, durchsetzt mit Zitaten und O-Tönen aus islamischen Quellen, unterbrochen von Info-Kästen zu Detailthemen und weitgehend neutral. Das Buch will den Islam und die Muslime thematisieren, nicht aber die Reflexionen des Christen über den Islam, die Reaktionen des Europäers auf den Islam und die Schwierigkeiten im Zusammenleben mit Muslimen problematisieren. So nur ist es verständlich, wenn einerseits eine Hommage auf den Motor christlich-muslimischer Begegnung in Deutschland, auf Professor Falaturi, über eine Doppelseite gespannt ist, aber andererseits jede Dialogbemühung von christlicher Seite fehlt. Kürzlich wurde ich um eine Literaturempfehlung als Geschenk für eine deutschsprachige „Kultur- Muslima“ gebeten. Ich habe diesen lesenswerten Bildband von Monika und Udo Tworuschka genannt, weil: abwechslungsreich präsentiert, für Muslime keineswegs anstößig in Sprache und ausgewähltem Material, breit informierend und aktuell.
Barbara Huber-Rudolf
Quelle: Eulenfisch Literatur 1 (2008), Heft 1, S. 60. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]