Beate-Irene Hämel
Textur-Bildung
Religionspädagogische Überlegungen zur Identitätsentwicklung im Kulturwandel
(Zeitzeichen 19)
Ostfildern: Schwabenverlag 2007
282 Seiten
ISBN 978-3-7966-1332-6
„Zum religionspädagogischen Ethos gehört es, Situationsanalysen so objektiv wie möglich durchzuführen und nichts zu beschönigen“ (180). Das ist der Autorin in ihrer Dissertation gelungen. Sie beschönigt nichts und gibt Denkanstöße für eine weiterführende religionspädagogische Diskussion. Allerdings muss einschränkend gesagt werden: Sie bezieht sich fast ausschließlich auf Schülerinnen und Schüler im Jugendalter und hat ihre Erfahrungen weitgehend im Rhein-Main-Gebiet gemacht.
Das heißt nicht, dass ihre Erkenntnisse nicht übertragbar wären auf eine andere Altersstufe oder eine andere Umgebung. Sofort nachvollziehbar sind sie aber m. E. vor allem vom Praktiker aus der gleichen Region. „Wie lässt sich religiöse Bildung denken und Religionsunterricht konzipieren, der einerseits eine der heterogenen Schülerklientel … geschuldete Offenheit und Flexibilität ermöglicht, ohne andererseits in einer Unverbindlichkeit zu verbleiben, die weder dem fachlichen Selbstanspruch genügt, noch Kindern und Jugendlichen Orientierung zu geben vermag?“ (27). Indem zunächst – so verstehe ich die Autorin – genau hingeschaut wird. Beate-Irene Hämel hat genau hingeschaut und überträgt ihre sorgsame Situationsanalyse in das Bild der „Textur“. Es ist eine Metapher, mit der sie versucht, die Beziehungen der Menschen in unterschiedlichen Kontexten zu erklären (alles ist verwoben, verknüpft, verflochten …). Mit diesem Bild beleuchtet sie ausführlich die Interkulturalität unserer Gesellschaft und zieht den Schluss, dass ein Lernen – nicht nur im Religionsunterricht, aber hier im Besonderen – ein „intrakulturelles und intersubjektives Lernen“ sein soll. Anders ausgedrückt: „Die Perspektive hat sich von den Inhalten auf die Personen, von der Lehrerdominanz auf die Schüleraktivität, von der Vermittlung auf den Lehr- und Lernprozess verlagert“ (253). Wenn der Religionsunterricht zur Subjektwerdung des Jugendlichen beitragen soll (schon ein Anliegen der Würzbürger Synode vor mehr als 30 Jahren!), dann muss er Jugendliche als Subjekte ihrer eigenen Bildung anerkennen und sie in ihrer Entwicklung unterstützen, besonders natürlich in ihrer religiösen Entwicklung. Sie müssen dabei, so die Autorin, auf ihre eigene Religiosität aufmerksam gemacht werden. Das wird als Aufgabe des Religionslehrers beschrieben. Er wird als „Hauptmedium“ bezeichnet, von dessen Glaubwürdigkeit der Erfolg abhängt. „Interessantes Material und attraktive Methoden können nur dann bildend wirken, wenn das Hauptmedium überzeugt, d.h. in der Person der Lehrerin und des Lehrers anschaulich wird, dass und wie christlicher Glaube lebendig ist. Dass dies individuell verschieden ausfallen darf, sollte dabei ebenso zum Tragen kommen wie die Überzeugung davon, dass den Jugendlichen im Religionsunterricht etwas Wertvolles und Erhaltenswertes angeboten wird“ (256). Beate-Irene Hämels Werk ist eine wissenschaftliche Arbeit, nicht leicht zu lesen, aber empfehlenswert für angehende Religionslehrerinnen und –lehrer und horizonterweiternd für „alte Hasen“.
Wolfgang Bentrup
Quelle: Eulenfisch Literatur 1 (2008), Heft 1, S. 44. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]