Wieland Schmied
Bilder zur Bibel
Maler aus sieben Jahrhunderten erzählen das Leben Jesu
Stuttgart: Radius Verlag 2006
246 Seiten
ISBN 978-3-87173-365-9
Dieser Prachtband beglückt das Auge des Betrachters, weil jedem der über hundert abgedruckten Bilder eine volle Seite reserviert wird. Wieland Schmied, eine Koryphäe auf dem Feld von Kunst und Religion, hat die „Bilder zur Bibel“ ausgewählt. In der Einleitung (11-48) befasst sich der Ausstellungsmacher und Kunstgeschichtler u. a. mit dem biblischen Bilderverbot und dem byzantinischen Bilderstreit.
Altäre, nicht Museen waren einst der Ort christlicher Bildwerke, deren visuelle Inszenierungen auf die Präsenz der Heilsgeschichte im Hier und Heute abzielen. 70 fraglos bedeutende Bilder der europäischen Kunstgeschichte, die den Lebensweg Christi illuminieren und auf je einer Seite beschrieben und interpretiert werden, bilden den Kern des Buches (49-140). Sie stammen ganz überwiegend aus dem Zeitraum zwischen 1300 und 1800. Eine Begründung dafür, warum die Bildauswahl erst mit Giotto beginnt, gibt Schmied leider nicht. Die Entscheidung, die nach der Wende der Kunst um 1800 entstandenen Christusbilder in einem „Ausblick“ (191-235) zu würdigen, leuchtet ein – tritt doch der biblische Text zurück und die private Mythologie des Künstlers mehr und mehr in den Vordergrund. Dass dabei großartige visuelle Bibelinterpretationen entstanden sind, die den Gedanken einer Inspiration durch den Heiligen Geist durchaus nahe legen, begründet der Autor in etlichen Skizzen, die von C. D. Friedrich bis zu B. Heisig reichen. Dabei spart der Autor nicht mit prononcierten Urteilen: Bei den Nazarenern vermisst er die „Fähigkeit, für ihr Kunstwollen die adäquate Form zu finden“; die Kreuze S. Dalis kritisiert er als „artifizielle Konstruktionen“. Ein besonderes Lob erhält O. Kokoschkas berühmte Lithographie „Christus hilft den hungernden Kindern“ von 1945, die Schmied für „eines der ergreifendsten Christusbilder der ganzen Kunstgeschichte“ hält. In Auseinandersetzung mit F. Bacon, den der Autor insbesondere wegen seiner Passionsdarstellungen – entgegen dem Bekenntnis des Malers – für einen „christlichen“ Maler hält, erläutert der Kunstgeschichtler seinen für die Bildauswahl leitenden Begriff des Christlichen: Bestimmt man ihn gemäß christlicher Dogmatik, dann sind gerade die wichtigsten Künstler der Moderne nicht christlich; fasst man den Begriff hingegen „so weit, wie es der Geist der Evangelien erlaubt, dann scheinen viele Künstler von der christlichen Spiritualität erfasst“ (227). Aus theologischer Sicht mag man über diese Differenzierung die Nase rümpfen; dem versierten Bilderkenner indes erlaubt sie eine Auswahl von Bildwerken, die ganz neue Blicke auf Jesus Christus eröffnen und die im besten Fall zu einem Ort theologischer Erkenntnis werden können.
Thomas Menges
Quelle: Eulenfisch Literatur 1 (2008), Heft 1, S. 18. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]