Bilder zum Alten Testament und zur Endzeit

Buchvorstellung - 17.01.2010

Wieland Schmied
Von der Schöpfung zur Apokalypse
Bilder zum Alten Testament und zur Apokalypse

Stuttgart: Radius Verlag 2007
231 Seiten
ISBN 978-3-87173-511-0

Eigentlich müssten wir immer wieder über den puren Umstand verblüfft sein, dass die europäische Kunstgeschichte über einige Jahrhunderte von religiösen Sujets lebt. Wieland Schmied legt nun einem nicht-fachwissenschaftlichen Publikum einen reichen Bildband vor, den er klug und lesbar kommentiert.

Wer nur der Bilder wegen zu diesem Buch greift, erhält durch die – auch sprachlich ansprechenden Kommentare –, die auf dem Boden der historisch-kritischen Exegese die einzelnen Bilder kommentieren, beiläufig eine ganz gute Einführung in die unterschiedlichen Bücher der Bibel. Viele dieser Bilder haben wir schon gesehen, sie gehören ins Musée imaginaire und haben einen schönen Déjà-vu-Effekt. Das beginnt mit dem berühmtesten Verstoß gegen das Bilderverbot. Michelangelos Erschaffung des Adam: Was für ein prachtvoller Kopf, den der alte Mann mit Bart da hat, und was für eine fatale Wirkungsgeschichte, die nicht nur von der feministischen Theologie heute selbstverständlich gegen den Strich gebürstet wird. Bilderverbot und Bilderstreit sind für die Theologie des Alten und Neuen Testaments keineswegs erledigte Stichworte. Das zweite der Zehn Gebote erläutert das erste. Das neben dem einen und einzigen neuartigen Gott der jüdischen Aufklärung im alten Israel keine anderen Götter zu haben sind, wird präzisiert. Die Unmöglichkeit von einem Gott, der als Schöpfer der Welt kein Ding der Welt sein kann, ein Bild zu haben oder gar zu machen, weist auf die spezifische Differenz zwischen den selbstgemachten Gottheiten des Polytheismus und dem neuen Gott des alten Israel hin. Wieland Schmied hat das ideenpolitische Verdienst, durch zwei große Ausstellungen in Berlin mit dem Vorurteil aufgeräumt zu haben, die Kunst der klassischen Moderne sei areligiös. So finden sich Bilder des 20. Jahrhunderts neben mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Klassikern zwischen denselben Buchdeckeln versammelt. Über die kluge Kommentierung Schmieds hinaus, haben die biblischen Bilder der europäischen Kunstgeschichte bis zur Gegenwart, eines gemeinsam: Sie sind nicht mimetisch. Alle tragen den Index der Andersheit, sie stehen zur empirischen Wirklichkeit in einem Abstands- und Spannungsverhältnis.

Eckhard Nordhofen

Quelle: Eulenfisch Literatur 1 (2008), Heft 1, S. 18. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung].