Lernen und Lernauffassungen

Buchvorstellung - 20.08.2009

Käte Meyer-Drawe
Diskurse des Lernens

Paderborn: Verlag Wilhelm Fink 2008
253 Seiten
ISBN: 978-3-7705-4412-7


Schon wieder ein Buch zum Thema „Lernen“? Wer einen weiteren Ratgeber zur Effizienzsteigerung der Gedächtnisleitung, zur Ausschöpfung seiner Potenziale oder zur Unterstützung seiner Erziehungsaufgaben, um den Nachwuchs im Wettbewerb um die besten Jobs schon frühzeitig konkurrenzfähig zu machen, in diesem Buch erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein – er/sie hat den Titel nicht sorgfältig durchdacht.

Wer aber die Lektüre deshalb begonnen hat, weil ihn der Begriff Diskurs in Bezug auf Lernen angesprochen hat, auf den warten Ausflüge von der antiken Philosophie bis zu den neuesten Erkenntnissen der Psychologie. Käte Meyer-Drawe widersetzt sich dem Strom der Zeit und konfrontiert den Leser mit einem Verständnis von Lernen, das von Erfahrung, Nachhaltigkeit und Auseinandersetzung mit sich selbst geprägt ist. Dieses entfaltet sie in sieben Kapiteln, denen eine umfangreiche Literaturliste beigefügt ist. Ein Namens- und Sachregister erleichtert die Arbeit mit dem Buch. Die Kapitel widmen sich klassischen pädagogischen Theorien, verhaltenstherapeutischen Ansätzen, dem Menschen an sich und den Anforderungen an ihn.
Das Schlusskapitel des vorliegenden Buches Diskurse des Lernens mit dem Titel Lernen als Erfahrung macht noch einmal das Anliegen der Autorin überdeutlich. Es geht ihr um die Rückbesinnung auf Lernen als ein erfahrungsbezogener und individualisierter Prozess, der nur eingeschränkt beschleunigt und von außen – z.B. durch Erziehungsmaßnahmen – gesteuert werden kann. Dabei spricht die Autorin der Pädagogik, dem schulischen Lernen etc. keineswegs ihre Bedeutung ab, sie zeigt nur deren Grenzen auf und definiert deren Stellenwert im personenbezogenen und erfahrungsbezogenen Lernen in einer überaus präzisen Art und Weise. Sie resümiert mit einem Plädoyer, dass Lernen letztlich immer in Auseinandersetzung mit Konventionen, deren kritischer Reflexion und einem Entscheid zur Akzeptanz oder Veränderung ist. Dieser Entscheid ist dann in Praxis umzusetzen. Dass es dabei zu Erfolgen und Misserfolgen, zu Freude und Leid bis zum persönlichen Scheitern kommen kann, ist integraler Bestandteil des Prozesses. Lernen vollzieht sich zwischen und mit diesen Extremen. Mit Brechts Gedicht Der Lernende schließt das Buch: „Nur das Grab lehrt mich nichts mehr“.
Der informierte Leser wird jetzt einwenden können, dass das bisher Gesagte keineswegs neu sei. Der Gewinn der Lektüre liegt aber im Detail. Frau Meyer-Duwe nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die pädagogische und Philosophiegeschichte und Forschungslandschaft und informiert ihn mit präzisen Details unterschiedlichster Couleur und Provenienz aus Literatur und Wissenschaft. Hierin zeigen sich die Belesenheit der Autorin und ihre Forschungsarbeit.
Hierin wird aber auch die Schwierigkeit der Lektüre deutlich: Es ist überaus mühsam den vielen Details zu folgen und ihnen den entscheidenden Stellenwert in den Argumentationsketten zuzumessen. Zu gedrängt und vielleicht zu fokussiert und gekürzt werden die überaus zahlreichen Informationen und Belege aneinandergereiht und verwoben, sodass immer wieder neue Aspekte bedacht und verarbeitet werden müssen. Einer stringenten Begründung ist dies weniger förderlich.

Frank Wenzel