Micha Brumlik/ Rachel Heuberger/ Cilly Kugelmann (Hg.)
Reisen durch das jüdische Deutschland
Köln: DuMont Verlag 2006
480 Seiten
ISBN 978-3-8321-7939-8
Dieses Buch ist weit mehr als ein Reiseführer der üblichen Art mit Fakten, Daten und einigen Bildern! Es bietet nicht touristische Erlebnisse, sondern historische Erfahrungen, nicht breite Information, sondern Tiefenschärfung mit Blick auf die Besonderheit jüdischer Geschichte und Gegenwart. Dass dies in Deutschland nur „nach“ dem Holocaust geschehen kann, ist Herausforderung, Problem und Chance zugleich.
Der erste Teil des schön gestalteten Werkes zeichnet „Porträts von Städten und Regionen“ – von Berlin bis Südwestdeutschland, von Dresden bis Speyer, von Düsseldorf bis Schleswig-Holstein: präzise Kurzdarstellungen aus Geschichte und Gegenwart, nicht ohne treffende, auch mehrfarbige Bebilderung. Deutlich wird: Trotz der bösen Unterbrechung der Nazizeit existiert jüdisches Leben in Deutschland (und deutsches Leben im jüdischen). Der zweite etwas kürzere Teil des opulenten und erstaunlich preisgünstigen Werkes sammelt Essays zur grundsätzlichen Orientierung: angefangen bei der Frage, was denn eigentlich Judentum sei oder die jüdische Sprache, bis hin zur Geschichte und Struktur jüdischer Gemeinden in Deutschland. Dargestellt werden auch die Eigenart jüdischer Literatur nach 1945 oder die Besonderheit koscheren Essens und entsprechender Geschäfte. Notgedrungen kurz gefasst, aber gut informierend und mit Standpunkt laden die Beiträge ein, eine zugleich fremde und nahe Welt zu entdecken. Die (bloß) zehn Seiten zum christlich-jüdischen Dialog in der Bundesrepublik mit dem bezeichnenden Titel „Kinder Gottes im Land der Täter“ nehmen, aus jüdischer Sicht verständlich, Kirchen und Christen primär unter dem Gesichtspunkt einer „Bringeschuld“ in den Blick. Noch scheint die Zeit kaum reif, hier wechselseitig genauer und auch selbstkritischer ins Gespräch zu kommen. Der dritte, äußerlich knappe „Serviceteil“ informiert über Adressen jüdischer Gemeinden in Deutschland, KZ-Mahn- und Gedenkstätten, weitere jüdische Sehenswürdigkeiten besonders in Ostdeutschland und schließt mit einer Auswahlbibliographie. Das höchst empfehlenswerte Buch ist ein unerlässliches Werk für Basisorientierung und Erstinformation. Es weckt und vertieft Sinn und Interesse für den Reichtum derer, die dank des Juden aus Nazareth die älteren Brüder und Schwestern der Christen sind. (Gotthard Fuchs)
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 36 (2007), Heft 4, Seite 210.