Donna Rosenthal
Die Israelis
Leben in einem außergewöhnlichen Land
München: Verlag C. H. Beck 2007
209 Seiten
ISBN 978-3-406-55501-5
Donna Rosenthal ist Journalistin (BA in Politikwissenschaft/ Berkely und MA in Internationale Beziehungen/London) und hat sowohl für verschiedene amerikanische Zeitungen als auch als TV-Produzentin in Israel und Reporterin für das Israelische Radio und die Jerusalem Post gearbeitet. Zudem hat sie Lehraufträge für Journalismus inne an der Hebrew University of Jerusalem, in Harvard und Georgetown. Ihrer wissenschaftlichen Akribie und journalistischen Begabung verdankt sich das vorliegende Buch, bei dessen Lektüre einem manches Mal der Atem stillsteht:
spätestens wenn man mit ihr die Schicksale von namentlich genannten Personen in ihrem Alltagsleben in Jerusalem mitverfolgt, das von unsichtbaren Unsicherheiten, Selbstmordattentaten und krassen Gegensätzen einer multikulturellen, hoch religiös aufgeladenen bis absolut säkularen Gesellschaft innerhalb des Staates Israel geprägt ist. Es gibt keinen Lebensbereich, der in dieser Darstellung der Vielfalt und Gegensätzlichkeit dieses kleinen (Größe wie Rheinland-Pfalz!), unruhigen Staates ausgeklammert wird. In einer Einleitung beschreibt die Autorin die einander kollidierenden Welten: „Israelis tragen Soldatenhelme, Kippot, Keffiyahs, Perücken und Schleier, aber auch umgedrehte Baseball mützen und an mp3-Player angeschlossene Kopfhörer.“ (S. 8) Die Beschreibung der unterschiedlichen Kopfbedeckungen ließe sich durchaus ausweiten... Der Hauptteil des Buches gliedert sich in vier Teile, jeweils weiter untergliedert in Kapitel. Teil eins behandelt das Thema „Israeli werden“. Darin wird der gefährliche Alltag in einem Jerusalem der Selbstmordattentäter geschildert, gegen den es kaum einen Schutz gibt. Gefahren, die sichtbar sind, kann aus dem Weg gegangen werden; aber öffentliche Buslinien zur Arbeit oder anderen Zielorten lassen sich nicht vermeiden. Dass es kaum jemanden gibt, kaum ein Ereignis des individuellen Lebens, der oder das nicht durch diese unsichtbare Bedrohung betroffen wäre: daran lässt Rosenthal keinen Zweifel. Weiters werden die Schwierigkeiten von Mischpaaren geschildert, die ihre Beziehung heimlich leben (müssen), um die scheinbar unvereinbaren Gegensätze ihrer Religion und nationalen Herkunft nicht preisgeben zu müssen. Wichtige Kapitel stellen auch die Darstellung der israelischen Armee sowie der Wirtschaftstechnologie dar. Dabei bleibt die Lektüre spannend, da immer konkrete Lebensschicksale ausgewählt werden, an deren Beispiel Einblicke in den jeweiligen gesellschaftlichen Sektor geworfen werden. Der Schutz der einzelnen Personen wird durch die ausschließliche Nennung der Vornamen dennoch gewahrt. Der zweite Teil wendet sich der Vielfalt der Einwohner in Israel zu: den Ashkenasim, den Mizrahim, den Russen und den äthiopischen Israelis. Spätestens nach der Lektüre dieses Kapitels müsste man davon überzeugt sein, dass es „das“ Judentum in Israel nicht gibt und der/die typische Israeli/n noch erfunden werden muss. Im dritten Teil geht es noch einmal um die Vielfalt des Judentums, aber unter dem Blickwinkel der „Grabenbrüche“ zwischen Haredim, Orthodoxen und Nichtorthodoxen, überschrieben mit „Krieg der Cheeseburger“. Schließlich handelt der vierte Teil von Nichtjuden im jüdischen Staat: von Muslimen, Beduinen, Drusen und Christen. Auch diese werden differenziert wahrgenommen, an Individuen vorgestellt und in ihrem Verhältnis zum Judentum und Staat Israel charakterisiert. Wer einmal in Israel gewesen ist und aufmerksam durch Tel Aviv und dann Jerusalem gegangen ist – letzteres reicht fast schon – wird die Eindrücke der Autorin sogleich mit eigenen Erfahrungsberichten anfüllen können und zustimmend nicken. Die Autorin hat nicht nur akribisch recherchiert, wie es sich für eine Wissenschaftlerin gehört, sondern zudem auch in ihrer sprachlich lebendigen Form Einblicke geboten, die nicht nur sensibel portraitieren wollen, sondern auch konkret sind. Nichts ist frei erfunden, alles kann sich so zutragen, jeden Tag neu. Die unterschiedlichen religiösen und geschichtlichen Traditionen, die politische Situation des Landes, besonders aber das Alltagsleben werden mit äußerster Lebendigkeit beschrieben. Das Buch von Rosenthal sollte man daher nicht abends lesen, da es leicht zu einer schlaflosen Nacht führen kann... (Beate Kowalski)
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 36 (2007), Heft 4, Seite 209f