Verhältnis Judentum - Christentum

Buchvorstellung - 05.10.2009

Micha Brumlik
Was stimmt?
Judentum Die wichtigsten Antworten
(HERDER spektrum 5796)

Freiburg: Verlag Herder 2007
127 Seiten
ISBN 978-3-451-05796-0

Micha Brumlik (Professor am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt „Theorie der Erziehung und Bildung“) legt in der kleinen HERDER-spektrum- Reihe einen Band mit den wichtigsten Fragen, Vorurteilen und Antworten zum Judentum vor. Bei der Lektüre fällt vor allem eines auf: Wie viel Wissen auf so wenigen Seiten anschaulich, mit leserfreundlichem Druckbild und verständlich präsentiert werden kann.


 

Nach einer Einleitung (1.), in der das jüdische Selbstverständnis, die Spannungen zwischen Judentum und Christentum als auch die bestehenden Vorurteile gegen Juden angesprochen werden, wendet sich der Autor in drei Kapiteln den wesentlichen Themen zu und bietet Einblicke in die Welt des Judentums. Im ersten Abschnitt (2.) behandelt er „Grenzlinien“, genauer das Verhältnis von Glaube, Volk, Religion und Staat; dabei räumt er auf mit der Vorstellung von einer Symbiose dieser vier Elemente. Weiter argumentiert er gegen das Vorurteil, das Judentum sei eine Religion des Gesetzes und stelle einen Gegensatz zum Evangelium dar. Eine Sichtweise, die aus neutestamentlicher Sicht, insbesondere der neueren (angelsächsischen) Paulusforschung, nur unterstrichen werden kann! Schließlich geht er auf das Verhältnis von Judentum und Christentum, ihre gemeinsamen Ursprünge und ihren Trennungsprozess ein. Das 18-Bittgebet, die Kanonwerdung des AT sowie die Komplexität der geschichtlichen Entwicklung werden dabei kurz und dennoch mit den notwendigen Differenzierungen dargestellt. Der zweite Abschnitt (3.) stellt das Verhältnis des Menschen zu Gott in die Mitte. Das alte von Markion stammende Vorurteil, das Judentum sei eine Religion der Rache, sowie die Zuordnungen von Angst, Werkgerechtigkeit und Ritualismus zur jüdischen Identität werden argumentativ aus dem Weg geräumt. Notwendige Basisinformationen zum besseren Verständnis des Haupttextes werden in farblich unterlegten Kästchen geboten (z.B. zum zweiten Tempel, Bibeltexte oder biographische Informationen). Der dritte thematische Abschnitt (4.) behandelt das Verhältnis von Religion und Gesellschaft. Darunter wird zunächst der Erwählungsgedanke dargestellt und erklärt. Erwählung ist dabei nicht im Sinne eines Exklusivismus zu verstehen. Die Offenheit gegenüber dem Beitritt zum Sinaibund ist ein Argument gegen das Vorurteil des „Rassenstolzes“. Gegen die These eines patriarchalen Judentums hält Brumlik die Vielfalt des Judentums und insbesondere die des Reformjudentums, das Frauen zu Rabbinerinnen ordiniert; zudem privilegiere die Matrilinearität Frauen seit rabbinischer Zeit. Auch auf große Frauengestalten der Bibel verweist der Autor. Frauenfeindliche Züge erkennt er ausschließlich in dem seit dem 18. Jh. entstehenden orthodoxen Judentum, das jedoch – und das wird nicht ausdrücklich genannt – im Land Israel immer einflussreicher wird. Schließlich wird das Vorurteil widerlegt, das Judentum sei eine Religion des Utopismus und Nationalismus. Eine Chronologie wichtiger Daten zum Judentum, ein Glossar sowie ausgewählte Literaturhinweise runden das Buch ab und laden zur Vertiefung ein. Die Offenheit des Autors und seine Verortung in einem weltzugewandten Judentum lassen sich durchgängig erkennen. Das Buch sei all jenen empfohlen, die sich mit den gängigen Vor-Urteilen gegen das Judentum auseinandersetzen – auch wenn Vor-Urteile sich eher durch Begegnungen als durch kognitive Reflexionen abbauen lassen. (Beate Kowalski)

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 36 (2007), Heft 4, Seite 209.