Josef Sinkovits/ Ulrich Winkler (Hg.)
Weltkirche und Weltreligionen
Die Brisanz des Zweiten Vatikanischen Konzils 40 Jahre nach Nostra Aetate
(Salzburger theologische Studien interkulturell 3)
Innsbruck: Tyrolia Verlag. 2007
368 Seiten
ISBN 978-3- 7029-2744-9
Der Sammelband bemüht sich um einen Überblick über den Stand des interreligiösen Dialoges 40 Jahre nach der Veröffentlichung von Nostra Aetate, der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der Kirche zu den Weltreligionen. Im ersten Teil des Buches kommen einige Autoren mit direkten Einschätzungen der Erklärung zu Wort.
Erzbischof Michael L. Fitzgerald, langjähriger Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog und derzeit Apostolischer Nuntius in Kairo, fasst in seinem Beitrag die leitenden Intentionen von Nostra Aetate zusammen und beschreibt die inspirierende Wirkung der Erklärung auf den interreligiösen Dialog auf den unterschiedlichen Ebenen der katholischen Kirche (29-43). Hans-Joachim Sander benennt Konfliktpotenziale und Gemeinsamkeiten zwischen den monotheistischen Weltreligionen (45-65). Während er im Gottesbegriff wichtige Übereinstimmungen sieht (Wer- Identität), diagnostiziert er in der Identifizierung dieses Gottes an unterschiedlichen Orten (Wo- Identität) die Gefahr eines Konkurrenzdrucks zwischen den Religionen. Roman A. Siebenrock formuliert nach einer eigenen Zusammenfassung der wesentlichen Anliegen von Nostra Aetate die Wirkungen der Erklärung innerhalb der Kirche und im Verhältnis zu den anderen Weltreligionen (67-89). Schließlich benennt er noch einige offe- ne Fragen zur Bedeutung des interreligösen Dialoges, insbesondere die Frage nach der spezifischen Identität des Christlichen. Abgerundet wird der erste Teil des Buches durch einen kurzen Beitrag des Wiener orthodoxen Metropoliten Michael Staikos, der ein paar kurze Bemerkungen zum Beitrag des interreligiösen Dialoges zum Frieden macht (91-95). Nachdem man mit Hilfe der bisher genannten Beiträge einen ersten, sehr allgemein gehaltenen Überblick über Nostra Aetate und seine Rezeption in der Kirche bekommen kann, geht es in den nachfolgenden Teilen des Buches um das konkrete Gespräch mit anderen Religionen. Im zweiten Teil steht das Judentum und der jüdisch-christliche Dialog im Mittelpunkt. Ausgewiesene Experten des jüdisch-christlichen Gesprächs wie Rabbi Michael A. Signer (97-113), der Judaist und Historiker Ernst Ludwig Ehrlich (115-122), der Direktor der Bischöflichen Akademie Aachen Hans Hermann Henrix (123-141) und der katholische Theologe Josef Wohlmuth (144-159) würdigen die bedeutenden Fortschritte, die durch Nostra Aetate erreicht und in den Jahrzehnten danach vertieft wurden, benennen aber auch offene Fragen und Herausforderungen, wie z.B. die immer noch nicht abgeschlossene Aufarbeitung der christlichen Schuldgeschichte gegenüber dem Judentum und die Frage nach der Gleichwertigkeit des jüdischen Heilsweges mit dem christlichen. Besonders die Frage, wie das Bekenntnis zur Heilsuniversalität Jesu Christi zur Unbedingtheit der Treue Gottes zu Israel auch ohne Anerkennung Christi passt, wird diskutiert. Im dritten, weniger gut gelungenen Teil wird ein Blick auf das Verhältnis der Kirche zum Islam geworfen. Dirk Ansorge wirft die Frage auf, ob das die Einheit Gottes betonende muslimische Gottesbild es dem Islam schwerer mache, ein positives Verhältnis zur gesellschaftlichen, politischen und religiösen Pluralität zu entwickeln als dem Christentum, das aufgrund seines trinitarischen Gottesbildes Differenz positiv im Gottesbegriff zu würdigen imstande sei (161-180). Nachdem er auf diese Weise unverhohlen die Superiorität christlichen Gottdenkens betont hat, schließt er sich Peter Knauers geistreichem Vorschlag an, diese eigene Überlegenheit dadurch auf eine besonders unauffällige Weise zu zelebrieren, „dass er das Zeugnis von Christen nicht als Überbietung der anderen Religionen versteht, sondern als Dienst an ihrer Wahrheit“ (177). Welchen Wert die angeblich im christlichen Gottesbild so sehr hochgehaltene genuine Differenz noch hat, wenn man dem Anderen erst durch das eigene Zeugnis zur Wahrheit hilft, bleibt das Geheimnis, das der Autor mit Knauer teilt. Nach Ansorges provokativen Einlassungen folgen ein paar brav-informative, systematisch aber relativ nichtssagende Anmerkungen zur Wichtigkeit und jüngsten Geschichte des christlich-muslimischen Dialogs von Praktikern dieses Dialogs, nämlich von Carla Amina Baghajati (181-195) und Barbara Huber- Rudolf (197-212). Mehr Niveau und systematischen Zündstoff bietet der sehr instruktive vierte Teil des Buches, der einige führende Vertreter des christlich-hinduistischen Dialoges zu Worte kommen lässt. Die Jesuiten Francis X. D’Sa (213-229), Anand Amaladass (231-245) und Sebastian Painadath (247- 256) zeigen sich dabei als überaus lernbereite Grenzgänger zwischen Hinduismus und Christentum, die die Einlassungen des Zweiten Vatikanischen Konzils nur als ersten Schritt akzeptieren können und uns zu der Einsicht ermutigen, „dass unsere Sache nicht unbedingt dadurch besser oder wahrer sein wird, wenn wir die Sache der anderen negativ beurteilen“ (229). Sie weisen Wege hin zu einer neuartigen Inkulturation des Christentums und verlassen das klassisch inklusivistische Vorgehen der Theologie der Religionen. Wieder enger an Nostra Aetate und den offiziellen Positionen der katholischen Kirche orientiert skizziert im fünften Teil der römische Theologe Michael Fuss Grundzüge des buddhistisch-christlichen Verhälntnisses (257-282). Am Ende wird im letzten Teil des Buches noch in einigen Beiträgen der Konfliktherd im ehemaligen Jugoslawien als Bewährungs- bzw. Stellprobe der in dem Band entfalteten Einsichten herangezogen (283-357). Insgesamt bietet der Sammelband einen vielfältigen Überblick über den gegenwärtigen Stand des Verhältnisses der katholischen Kirche zu den Weltreligionen, der zumindest teilweise in angemessener Weise den Forschungsstand reflektiert und die epochemachende Leistung von Nostra Aetate in anregender Weise ins rechte Licht rückt, ohne die Defizite der Erklärung auszublenden (vgl. IV.). (Klaus von Stosch)
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 36 (2007), Heft 4, Seite 205f.