Manfred Kollig
Überall Wolke
Die Liturgie des XX. Weltjugendtages lebt weiter
Münster: Verlag Aschendorff 2005
112 Seiten
ISBN 978-3-402-00414-2
„Überall Wolke“ könnte eine Metapher für die Themenstellung Liturgie und Gottesdienst im Religionsunterricht sein. Tatsächlich kommen beide Themen nur sehr bedingt oder überhaupt nicht im Unterricht vor. Dabei bestimmt sich mindestens das römisch christliche Bekenntnis aus der römischen Liturgie, wie sie sich in der Feier der Eucharistie und der Sakramente zeigt.
Hier zeigt sich entschieden eine Lücke zwischen Religionsunterricht und Glaubenspraxis. Glaubensbekenntnis und Caritas sind im Unterricht wesentlich präsenter als die Liturgie. Alle drei bilden den einen Zugang zum Glauben. Dabei war allerdings bis heute das Erlebnis der Liturgie das eigentliche Erlebnis der Erfahrung des Glaubens. Mit „Überall Wolke“ ist übrigens jenes wolkenartige Dach über der Altarinsel zum Weltjugendtages gemeint. Das Thema Liturgie und Gottesdienst ist im Religionsunterricht der vergangenen Jahrzehnte höchst bedenklich vernachlässigt worden. Mehr noch freilich ist die Praxis der Liturgie und des Gottesdienstes vernachlässigt worden. Gerade hierin ist vielleicht auch der Verlust des Glaubens auszumachen. Papst Benedikt XVI. hat mehrfach auf den Zusammenhang von Liturgie und Glaube aufmerksam gemacht, zuletzt beim XX. Weltjugendtag in Köln im vergangen Jahr. Es ging dabei wesentlich um die Gestaltung der Liturgie, um die Vigil und den sonntäglichen Gottesdienst. Manfred Kollig war beim Weltjugendtag 2005 für die Feier der Liturgie verantwortlich. Ihm oblagen nicht nur die Organisation der beiden Gottesdienste – Vigil und Papstmesse –, sondern auch anderer gottesdienstliche Veranstaltungen des Weltjugendtages, z.B. der große Kreuzweg. Kollig, heute Abteilungsleiter im Schulamt des Generalvikariats Münster, war zuständiger Leiter des Referates Liturgie beim Weltjugendtag. Aus den Erfahrungen einer Liturgie für immerhin mehr als eine Million Teilnehmer ist sein kleines Buch entstanden, das auf grundsätzliche liturgische Erfahrungen für den Unterricht und den Schulgottesdienst zielt. Der Autor stellt in seinem Buch die Überlegungen zum Gottesdienst des Weltjugendtags 2005 dar. Er bleibt freilich dabei nicht am Großprojekt Weltjugendtag hängen, sondern beschreibt höchst differenziert den Mikrokosmos von Liturgie überhaupt. Weg, Nähe und Ferne, Schauen und Berühren, Verwandlung und Stärke sind dabei wichtige Stichworte, die sowohl religionspädagogisch als auch psychologische Kernworte bilden. „Auch der Wunsch, berührt zu werden, wird in der Liturgie erfüllt. (...) Berührt werden vom Zeichen des Kreuzes ist der Beginn der Geschichte eines Christen innerhalb der Kirche ...“ Es sind solche Sätze, die dieses Buch für den Religionsunterricht brauchbar machen. Oder auch der Satz: „In der Liturgie sollen Wege es dem Menschen erleichtern, das Kreisen um die eigene Person aufzugeben, von sich ‘wegzugehen’ auf Gott hin, der in den Menschen der Gemeinde, im Wort und im Sakrament gegenwärtig ist“. Oder vom Seelsorger hin zu seinen Kollegen: „Wenn wir in der Liturgie echt sind, dann stellen wir gleichzeitig auch Nähe und Beziehung her, werden glaubwürdig, zeigen Charakter und machen den Unterschied deutlich zwischen Show, liturgischem Fest und Event.“ Solche Sätze lassen aufhorchen lassen und öffnen uns den Blick zum Wesentlichen des Gottesdienstes. Kleine Auszüge aus den Reden Papst Benedikts XVI. beim Weltjugendtag unterstreichen häufig theologisch die Beobachtungen von des Autors. Das Buch ist kein Rezeptbuch. Es ist nicht unmittelbar auf den Religionsunterricht ausgerichtet. Und doch, wer es liest und wem Liturgie als wesentliches Element des Religionsunterrichtes aufgeht, der wird bei der Lektüre des Buches einen wichtigen Gewinn für seinen Unterricht haben. Es erklärt am Beispiel der Liturgien des Weltjugendtages die Inhalte von Liturgie für heute. Die Sprache des Buches richtet sich dabei auch an Lehrerinnen und Lehrer, Pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erklärt sehr einfühlsam auf und für Jugendliche hin die Inhalte von Liturgie und ihre Organisation. Dabei wird auch die Wirkung von Liturgie auf Menschen deutlich, ihre verändernde Macht, ihre prägende Kraft und ihr bewegender Antrieb. Verändern, Prägen und Bewegen waren wohl Merkmale des Gottesdienstes beim Weltjugendtag auf dem Marienfeld, Das können auch die Merkmale für die Liturgie außerhalb des Großereignisses Weltjugendtag sein, wie Kollig darstellt. Das kleine Büchlein macht neugierig auf intensive Liturgien und deren Wirkung vor Ort, sei es in der Schule, im Schulgottesdienst oder im Raum der Gemeinde, aber auch auf die Menschen, die an solchen Liturgien teilnehmen, Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen, Gemeindemitglieder oder Fremde. Die Sprache des Autors übersetzt Liturgie und Gottesdienst in den Alltag von Schülerinnen und Schülern und in deren Erfahrungen und Erwartungen. Den Liturgen gibt Kollig Hilfen zur Entlastung des eigenen Anspruchs auf Vollkommenheit. (August Heuser)
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 36 (2007), Heft 3, S. 128f.