Gotteslehre: Gott ist anders

Buchvorstellung - 02.08.2009

Johannes B. Brantschen
Gott ist anders
Theologische Versuche und Besinnungen

Luzern: Edition Exodus 2005
212 Seiten
ISBN 978-3-905577-72-3

Unter den deutschsprachigen Theologen der Gegenwart gibt es wenige, die derart sensibel, behutsam und lebensnah dem Geheimnis des Glaubens nachspüren wie der emeritierte Dogmatiker aus Fribourg – eine klare und helle Stimme eher im Verborgenen, die sich nicht lautstark vermarktet und um so dringlicher Empfehlung verdient. Der Schweizer Dominikaner ist stets ganz nah bei Alltagserfahrungen, sensibel für gesellschaftliche Probleme und kirchliche Notstände (wie Zentralismus oder Patriarchalismus).
 

Genauigkeit der Wahrnehmung und Schärfe der Argumentation resultieren aus klarem Verstand und gründlicher Fachkenntnis, mehr aber noch aus einem nachdenklichen Osterglauben und dessen messianischem Licht. In den hier gesammelten Aufsätzen geht es zuerst um die Gottesfrage: „Macht und Ohnmacht der Liebe“, der vergessene Heilige Geist und der Verlust eines beziehungsstarken Denkens und Handelns (Trinität!), und immer wieder: Gott und das Leid. Kaum einer hat so früh wie Brantschen das Geheimnis des mit-leidenden, ohnmächtigen Gottes ins theologische Gespräch gebracht. Zusammen mit der Theodizeefrage ist es natürlich der Osterglaube, der im Mittelpunkt steht: Worauf hoffen? Wie von Auferstehung reden? Wie Erbarmen und Gerechtigkeit zusammenhalten? Endgültige Versöhnung für alle? Nicht zufällig enthält der Band zwei Porträts theologischer Lehrer aus dem Protestantismus: Rudolf Bultmann und Ernst Fuchs. Noch bezeichnender ist, dass die fachtheologischen und doch gut lesbaren Meditationen mit ausdrücklich spirituellen Gedanken schließen – zum Stichwort „Sehnsucht“, „Staunen“ und „Verzeihen“, „Einbruch des Neuen“. Fazit: eine lebensfreundliche einladende und befreiende Theologie, die ohne große Worte und doktrinale Sprüche auskommt, stattdessen das Geheimnis des Lebens erschließt. Nicht zufällig ist der heimliche Gesprächspartner im Hintergrund immer der Pfarrerssohn aus Naumburg, Friedrich Nietzsche. In dessen Vorrede zu „Die fröhliche Wissenschaft“ fragt ein kleines Mädchen: „Ist es wahr, dass der liebe Gott überall zugegen ist? … aber ich finde das unanständig“. Brantschen findet das auch, wie jeder aufmerksame Christenmensch – und er arbeitet theologisch beispielhaft daran, solche angstbe- setzten Verfälschungen des christlichen Glaubens zu überwinden. Äußerst hilfreich für den Religionsunterricht! (Gotthard Fuchs)

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 36 (2007), Heft 1/2, S. 64f.