Im Leben zuhause

Buchvorstellung - 16.02.2022

Die Texte - zusammengestellt von Ruth Felker und Daniel Gewand - eröffnen dialogisch und korrelativ angelegt einen Raum für die Leser:innen. Die Glaubenszeugnisse sind Deutungsangebote, zu denen wir uns verhalten und in Beziehung setzen können. Sie sind einfühlsam, authentisch und hoffnungsvoll, einladend und auffordernd.

Ruth Felker & Daniel Gewand (Hg.)

Im Leben zuhause. Lieblingstexte aus dem Coesfelder Broadcast, Münster

Aschendorff-Verlag, 2021, 120 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-402-24860-7, Preis: 14,80 €.

 

Der Kontext - wie die Texte entstanden sind

Dezember 2021: Wir befinden uns mitten in der vierten Corona-Welle und das seit dem Lockdown im März 2020 entstandene Buch „Im Leben zuhause“ ist auch jetzt noch immer aktuell.

Im Vorwort skizzieren die beide Herausgeber Ruth Felker und Daniel Gewand kurz die Genese dieser ungewöhnlichen Textsammlung:

Das Seelsorgeteam der Gemeinde St. Lamberti in Coesfeld entwickelte im März 2020 neue Wege, um auch in der gebotenen räumlichen Distanz mit Christ:innen der Gemeinde in Kontakt zu bleiben. Sie begannen täglich kurze Whatsapp-Nachrichten an Interessierte zu verschicken: „Geschichten aus dem Alltag, Gebete und Gedichte: selbstgeschrieben, aus dem Leben und von Zuhause.“ (S. 4)

Die persönlichen, alltagsnahen, hoffnungsvollen und vom christlichen Glauben getragenen Texte fanden Zuspruch, die Empfängerliste wurde länger, Texte wurden kommentiert, Schreibgespräche entstanden und die Interessierten blieben so von Zuhause aus miteinander in Kontakt. So wurde auf eine neue Weise erlebbar: „Der Glaube ist im Leben zuhause“ (S. 5).

Diese Erkenntnis inspirierte offenbar auch zum fast gleichlautenden Buchtitel: „Im Leben zuhause“. Gut mit dem farblich entsprechend gestalteten Titel des Buchs korrespondiert das im warmen Licht von innen erleuchtete Wohnhaus auf dem Buchcover.

Vermutlich ahnte das Verfasserduo, dass die Pandemie uns noch eine Weile begleiten würde, und wollte deshalb diese Texte einer größeren Leserschaft zur Verfügung stellen.

Texte aus dem Badezimmer?

Noch immer kennzeichnen Kontaktbeschränkungen unseren Alltag, unser Leben findet überwiegend zu Hause statt. So ist es für Lesende des Buchs gut nachvollziehbar, das die beiden Herausgeber die insgesamt 88 Beiträge den Wohnräumen eines Hauses zuordnen und die Kapitel entsprechend benennen.

Diese Strukturierung weckt bei mir Neugierde: Welche Beiträge finde ich unter ‚Badezimmer – erfrischen & waschen‘? Oder unter ‚Gästezimmer – einladen & begegnen‘? Und welche Nachrichten sind unter ‚Flur – rausgehen und verändern‘ aufgelistet?

Ich blättere durch die Kapitel und bleibe an einzelnen Texten hängen. Diese nicht-lineare Lesart empfehlen die beiden Herausgeber ausdrücklich und ermuntern so zu einem selbstbestimmten Lesevorgang (vgl. S. 4).

Ästhetisch ansprechende schwarz-weiß Fotografien führen optisch in die Kapitel ein. Schade, dass bei manchen doppelseitigen Fotos einige Details in der Buchfalz verschwinden. Hier hätte ich mir eine bessere grafische Gestaltung gewünscht.

Persönliche Zeitdokumente beschreiben Erfahrungen zum Andocken

Die Beiträge stammen von insgesamt 10 Autor:innen, alle hautberuflich als Seelsorgende in der Gemeinde St. Lamberti in Coesfeld aktiv. (vgl. S. 120) Sie sind jeweils namentlich zusammen mit dem ursprünglichen Versanddatum unter ihren Beiträgen erwähnt. Die Texte werden so als persönlich verfasste Zeitdokumente erkennbar. Auf diese Weise gewinnt die Empfehlung von Daniel Gewand eine sichtbare Konkretion, die er an anderer Stelle als Ratschlag für Verfasser:innen von Glaubenszeugnissen betont:  „Sprich von dir. Sprich von Gott. Und sprich verständlich. (…) Und als Christ stehst du dafür mit deinem Namen.“[1]

Ich lese die mit prägnanten Überschriften versehenen kompakten Nachrichten: Sie beschreiben persönliche Alltagserlebnisse – auf eine gerade und schnörkellose Weise -  sodass sie anschlussfähig auch für ähnliche Erfahrungen der Lesenden sind. Ich nehme auch einen Einkaufszettel mit zum Wocheneinkauf, esse manchmal gerne eine Currywurst, kenne nette Nachbarskinder, mein Geduldsfaden ist zuweilen auch kurz, habe auch das Autobahnschild „Hannover“ auf meiner letzten Fahrt in den Norden gelesen, bin manchmal unzufrieden und schiebe auch mal etwas auf ‚die lange Bank‘.

So kann ich meine Erfahrungen an die Texte andocken und mich auf die Deutung der Autor:innen einlassen. Sie verbinden ihre Erlebnisse mit ihrem Glauben an den biblisch überlieferten Gott, der unser Leben liebend begleitet. Franz Westerkamp ist überzeugt: „Ob Gott eigentlich auch so eine lange Bank kennt – hmmm –kann ich mir fast nicht vorstellen. Ihm geht’s um uns, um mich – da beeilt sich nämlich viel Liebe – und die kann man nicht auf die lange Bank schieben - die muss raus – sofort! Gottseidank!“ (S. 91)

Indirekt oder auch direkt werden die Leser:innen am Ende vieler Beiträge mit Fragen konfrontiert, die nachdenklich stimmen: „Liegt eigentlich bei dir noch etwas auf der langen Bank herum?“ (S. 91) „Fehlt dir noch was auf Deinem Zettel?“ (S.16)

Oder die Autor:innen ermutigen uns zu einer Haltung. So rät Lars Schlamann: „ Bleib unzufrieden, quengle ruhig mal und halte es Gott im Gebet hin – ich bin sicher, erhört es.“ (S. 17)  Ruth Felker rät in gereizten Situationen: „Atme tief durch. Wenn’s hilft: Verprügle Dein Kopfkissen oder so. Und dann spüre ihr nach – der Ahnung, dass Gott dich nicht alleine lässt. Dem Wissen: Du bist geliebt. Egal was kommt.“ (S. 73)

Textsammlung - dialogisch, einladend, auffordernd

Diese Texte eröffnen so - dialogisch und korrelativ angelegt - einen Raum für die Leser:innen. Diese Glaubenszeugnisse sind Deutungsangebote, zu denen wir uns verhalten und in Beziehung setzen können. Sie sind einfühlsam, authentisch und hoffnungsvoll: Die Verfasser:innen lassen uns teilhaben an ihrem Glauben und an ihrem Vertrauen auf einen lebendigen Gott, der ihren Alltag begleitet und sie das Leben neu wertschätzen lernt – auch in herausfordernden Corona-Zeiten, die allzu oft von negativen Nachrichten geprägt sind. 

Dabei sind diese Beiträge nicht belehrend, wohl jedoch einladend und auffordernd.

Genau wegen der Qualität und Aktualität dieser besonderen ‚guten Nachrichten‘ kann ich das Buch allen empfehlen, die ihren Glauben im Leben – hier und heute – verorten möchten.

 

Rezension: Dr. Heike Bee-Schroedter, Referentin in der Abteilung Schulpastoral des Erzbistums Paderborn

Zwischenüberschriften: Redaktion rpp-katholisch.de

 

 

[1] D. Gewand, Dafür stehe ich mit meinnem Namen. Von Kirche in 1Live lernen, in 90 Sekunden (selbst)verständlich von Gott reden, in: Schulinformationen Paderborn Nr. 55 (2020), 4-7,4.