Der gesteuerte Mensch

(Quelle: rpp-katholisch.de)
Buchvorstellung - 26.02.2021

Gottfried Böhme
Der gesteuerte Mensch?
Digitalpakt Bildung – eine Kritik

 

Evangelische Verlagsanstalt

Leipzig 2020

ISBN 978-3-374-06341-3

269 Seiten, 15,00€

„Digitales Entwicklungsland Deutschland, schulische Digitalisierung noch in den Kinderschuhen“, Unterricht noch viel zu analog“ so oder ähnlich lauten Schlagzeilen in Deutschland seit Jahren. Gerade die Coronakrise mache die Versäumnisse im Bildungsbereich noch deutlicher. Der Ruf nach schnellem Ausbau der digitalen schulischen Möglichkeiten wird laut und drängend und viele Menschen unterstützen ihn.

Aber ist die umfassende Digitalisierung der schulischen Bildung wirklich die sinnvoll? Gottfried Böhme bringt mit seinem Buch einen kritischen Ton in die allgemeine Digitalisierungsbegeisterung im und für das Schulwesen. Er lehnt die Digitalisierung nicht ab; im Gegenteil, er plädiert durchaus für eine sinnvolle Einbettung in den Unterricht, aber nur, wenn vorab kritisch reflektiert worden ist, in welchem Maße und wie dies geschehen soll.

 

Schöne, neue Schulwelt?

Böhme setzt sich mit dem Digitalpakt Bildung auseinander und weitet dabei den Blick darauf, inwieweit sich durch seine Umsetzung in der Schule die Rolle der Lehrkräfte verändert und welche Auswirkungen die komplette digitale Umgestaltung der Schule auf das Menschenbild hat und damit auch auf die Gesellschaftsentwicklung.

Lehrkräfte werden in der „schönen, neuen Schulwelt“ nämlich zu Lernbegleitern. Algorithmen bestimmen den Lernstoff und machen Schüler_innen so zu Usern. Einen Unterricht, verstanden als personales Geschehen zwischen Lehrkräften und Schüler_innen, didaktisch vorbereitet von Fachvertreter_innen, gibt es unter diesen Bedingungen nicht mehr. Dabei dürfte z. B. die Ausbildung von kritischem Denken auf der Strecke bleiben - auch und gerade im Hinblick auf Medien. Böhme weist darauf hin, dass zwar über technische Hilfsmittel für die Schulen diskutiert wird, während auf die Diskussion über die pädagogischen Konzepte aber weitestgehend verzichtet wird.

 

Kritische Auseinandersetzung mit dem Digitalpakt Bildung

Böhme setzt sich auch sehr kritisch mit dem Strategiepapier der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Digitalisierung auseinander. Er folgert, dass die KMK hier sehr im Sinne der Konzerne agiert. Daraus könnte sich ergeben, dass sich die Bildungspolitik zumindest aus der Verantwortung für digitale Bildung verabschiedet. Dabei stellt sich die Frage, ob die Interessen von Konzernen und die Bildungsziele des Staates, nämlich die Schüler_innen zu denk-, kritik- und handlungsfähigen Menschen zu erziehen, nicht diametral entgegengesetzt sind.

 

Schule ist Beziehung

Der Distanzunterricht während Corona spricht nicht nur für, sondern auch gegen die weitgehende Digitalisierung von Schule. Denn: Alle an Schule Beteiligten merken hautnah, dass Schule viel mit Beziehung und Begegnung zu tun hat. Das wäre ein gewichtiges Argument gegen eine völlige Digitalisierung von Schule.

Böhme belässt es nicht bei der Kritik, sondern stellt zwischen dem Literaturverzeichnis und den Anmerkungen seine „Richtlinien für einen besseren Digitalpakt Bildung“ vor; eine Zusammenstellung, die für Lesende einen Gewinn für die weitere Auseinandersetzung darstellt.

Das gut lesbare Buch wendet sich an eine Leserschaft, die bei aller Begeisterung auch bereit ist, die konsequente Digitalisierung und ihre möglichen Konsequenzen wenigstens zu hinterfragen.

SiKe