Erik Händeler
Himmel 4.0
Wie die digitale Revolution zur Chance für das Evangelium wird
Moers (Brendow Verlag) 2017, 2. Auflage 2018 - ISBN 978-3-96140-022-5
112 Seiten - 10,00 €
Erik Händeler (*1969) arbeitet nach einem Studium der Wirtschaftspolitik und Volkswirtschaft als freier Wirtschaftsjournalist. Das Buch ist aus Vorträgen hervorgegangen, die Händeler vor verschiedenen vorwiegend kirchlichen Verbänden gehalten hat.
Robert Lane und Daniel Bell sagten schon vor rund 50 Jahren eine "Wissensgesellschaft" voraus. Umsätze und Arbeitsvolumen verlagern sich von der materiellen Produktion auf die Beschäftigung mit kognitiven Inhalten. Das verlangt einen neuen Führungsstil, eine neue Kultur der Zusammenarbeit und der Konfliktbearbeitung, für die im Evangelium entscheidende Impulse zu finden sind, so die These von Erik Händeler.
An historischen Vorbildern arbeitet Händeler die Wechselwirkung zwischen religiösen Überzeugungen und wirtschaftlichen Entwicklungen heraus: Zum Beispiel führen die Mönche um 1000 verbesserte Techniken in die Landwirtschaft ein, die Erträge steigen, Überschuss entsteht, der verkauft werden kann. Um die Märkte herum prosperieren die Städte; am Handel werden einige reich, andere stürzen ins Elend. Darauf wiederum reagieren Franziskus und seine Anhänger, die gezielt in der Stadt aktiv werden und nicht in der Abgeschiedenheit der Klöster, um das Elend zu lindern.
In der heute entstehenden Wissensgesellschaft kann das Wohlergehen der Menschen nicht mehr durch die Steigerung der Güterherstellung verbessert werden. Wertschöpfung entsteht vor allem aus der kooperativen Nutzung von Wissen. Dazu müssen die Menschen über alle weltanschaulichen Differenzen gemeinsame Maßstäbe finden, entsprechende Verhaltensmuster und Organisationsstrukturen werden gebraucht, weil radikal individualistische Kooperationsunfähigkeit heute wohlstandsfeindlich ist. Destruktives Führungsverhalten, Statusdenken, Ellbogenmentalität sind heute die größten Kostenfresser.
Gegenentwürfe zu diesen ineffizienten Unternehmenskulturen findet Händeler im Evangelium, in der Regula des heiligen Benedikt und aktuell in der Kritik des Papstes an seiner Kurie, die er zu einer Theologie des Streitens verdichtet. Er plädiert dafür, dass gerade der Kirche als Organisation von ihrem Gründer aufgegeben ist, als leuchtendes Vorbild voranzugehen.
Auf diesen Grundlagen entwickelt er für die Kirche und andere Unternehmen insgesamt zehn Leitlinien zu guter Führung und konstruktiver, partnerschaftlicher Zusammenarbeit, zu Verantwortung, Lösungsorientierung, Ehrlichkeit, Streitfähigkeit, Vergebungsbereitschaft, Wertschätzung. Die Kirche soll in ihrem Handeln Modell sein einer nach universalethischen Prinzipien gestalteten Zusammenarbeit, die die zerstörerisch gewordenen gruppen- und individuenzentrierten Ethiken überholt.
Die Stellen aus dem Evangelium hat man schon einmal gehört, die Regula des Heiligen Benedikt ist bekannt, die Einstellung des Papstes auch. Trotzdem bietet das Buch einen besonderen Aspekt, weil es aufzeigt, dass Firmen, die in der Wissensgesellschaft überleben wollen, sich den „Chef alter Schule“ gar nicht mehr leisten können.
Allerdings ist meines Erachtens der Zeitfaktor in dem Buch nicht ausreichend bedacht: Den großen und kleinen Amtsträgern, die sich ihre Pfründen gesichert haben, geht es gut, selbst wenn der Laden insgesamt vor die Wand fährt. Händeler schildert also etwas Wünschenswertes, ja langfristig Notwendiges, aber er analysiert nicht die Motivation der Bremser, und er entwickelt keine Ideen, wie man die Bremser, insbesondere die Mächtigen unter ihnen, ausbremsen kann.
Daten zum Buch:
Erik Händeler
Rezension von Karl Vörckel für rpp-katholisch.de