Dei Verbum im Unterricht

Auf dem Bildschirm des Laptops Till Magnus Steiner (l.) und Werner Kleine (r.)
Nachrichten | 09.11.2015

Die Vorbereitung auf den Religionsunterricht erleichtern, das Fachwissen aus dem eigenen Theologiestudium wachhalten, biblische Texte als Antwort auf gesellschaftliche Fragestellungen untersuchen – das alles bietet der Internet-Blog „Dei Verbum“ der Katholischen Citykirche Wuppertal. Eine Rezension von Studienrat Dipl. Theol. Bjørn P. Burzinski, M.A.

„Bloß keine Bibel“ – diese Forderung schallt mir häufig entgegen, wenn ich in der ersten Unterrichtsstunde neue Schülerinnen und Schüler im katholischen Religionsunterricht am Berufskolleg begrüße und sie nach ihren Erwartungen und Wünschen an das Fach frage. „Bloß keine Bibel“ – schade, habe ich mir gedacht, und bin ihrer Weisung lange Zeit gefolgt, schließlich wollte ich mir die erwachsenen Lernenden nicht zum Gegner machen, sondern mit ihnen gemeinsam ihre religiösen Kompetenzen (weiter-)entwickeln. In der Vergangenheit ist es mir leider nicht gelungen, den Trend umzukehren und die Bibel mit ihrem Reichtum an Geschichten, Gleichnissen und theologischen Weisungen als kritisches Potenzial für das Wirken und Handeln in der Welt von heute didaktisch zu nutzen und den Schülerinnen und Schülern ihre Berührungsängste zu nehmen. In der Vergangenheit...

 

„Bloß keine Bibel“ – seit diesem Schuljahr ist mir diese Aufforderung der Lernenden keine Weisung mehr. Selbstverständlich respektiere ich weiterhin den Wunsch, habe aber in dem Internet-Blog „Dei Verbum“ eine Quelle für meine unterrichtliche Arbeit mit den jungen Menschen gefunden, die mir die didaktische Vorbereitung erleichtert und dem Wort Gottes die Eingangstür öffnet. Denn wie die Befürchtungen sind auch die Erwartungen an das Fach katholische Religion groß: Aktuell müssen die Unterrichtsinhalte sein – und einen Bezug zur persönlichen und privaten Lebenswirklichkeit haben. Gleich drei Wünsche auf einmal! Doch „Die Verbum“ hilft, dass die Bibel kein Überraschungsei bleibt und die Inhalte zunächst ver-deckt hält – um den Leser anschließend zu enttäuschen. „Dei Verbum“ ent-deckt die Relevanz biblischer Inhalte für die heutige Zeit, „Dei Verbum“ hilft jeder Lehrkraft, in der Bibel Antworten auf aktuelle Fragen zu finden, „Dei Verbum“ bietet Orientierung in der Unterrichtsvorbereitung und didaktischen Reduktion.

 

Die Autoren Dr. Werner Kleine (Neutestamentler) und Dr. des. Till Magnus Steiner (Alttestamentler) werden dem Anspruch gerecht, die Bibel nicht nur als Kulturgut, sondern ihre Texte als ethischen Maßstab für das Denken und Handeln im Hier und Jetzt zu begreifen und zeitgenössische gesellschaftliche Themen zu begleiten. Das hilft mir in meinem Unterricht – auch über das Fach Katholische Religion hinaus. Einmal wöchentlich, dienstags, behandeln sie ein aktuelles gesellschaftliches und/oder politisches Thema aus einer biblischen Perspektive. Es handelt sich um prägnante, gut leserliche Blogtexte, die wissenschaftlich verantwortet einen Einblick in biblische Perspektiven zu aktuellen Fragestellungen ermöglicht.

 

Als Beispiel sei auf ein paar Blogbeiträge verwiesen:

 

Im Kontext der Bischofssynode in Rom zur Familienthematk befasste sich Steiner mit dem Thema Familie, wenn er biblische Texte aus den Büchern, Genesis, Deuteronomium und Rut auslegt und aufzeigt, dass die Gleichung Mann + Frau + Kinder = Familie als katholisches Idealbild nicht ausschließlich Vorbilder im Alten Testament findet. Selbst die Heilige Familie selbst müsse mit dem Verhältnis von heiligem Geist, Mutter Maria, Adoptivvater Josef und Jesus aus katholischer Sicht mindestens kompliziert sein – und kann damit Leitbild für die Rolle der Familie in heutiger Zeit sein, wenn man gemeinsam mit jungen Erwachsenen die Familie weniger als Gleichung denn als Wertegemeinschaft versteht (vgl. http://www.dei-verbum.de/familie-biblisch-kompliziert/).

 

Mit einem früheren Beitrag betrachtet Steiner die Bibel zwischen Kapitalismuskritik und Zinsgewinn. Mit einem Blick auf das Gleichnis, in dem der Herr seinen drei Dienern ein Geldstück anvertraut und ihnen aufträgt, damit Geschäfte zu machen, versucht er eine Folie für ökonomische Entscheidungen der Neuzeit zu erarbeiten: Sicherheit oder Risiko? Gewinn oder Verlust? Homo oeconomicus oder doch besser altruistisch Handeln? Dabei geht es Steiner nicht um alternativlose Auslegung oder gar dogmatische Vorschriften. Dei Verbum zeigt vielmehr biblische Optionen auf, die Handeln jetzt initiieren können (vgl. http://www.dei-verbum.de/geld-will-sich-vermehren/).

 

Auch die Flüchtlingsthematik wird auf dem Blog aus biblischer Perspektive begleitet und behandelt. In verschiedenen Beiträgen wird auf die Flüchtlingsproblematik in der Bibel selbst hingewiesen: Steiner verweist auf Abraham, David und Jesus als Flüchtlinge (http://www.dei-verbum.de/du-sollst-den-fluechtling-lieben/). Kleine beschreibt exegetisch geschickt anhand der im Markusevangelium erzählten Speisung der 5000 (http://www.dei-verbum.de/borderline/) die Ambivalenz der Angst einiger Europäer vor den Massen der Flüchtlingen und der Verheißung des Wohlstands und der Freiheit, für die Europa steht.

 

In vielen Beiträgen überzeugen die Autoren nicht nur mit ihrem historisch-kritischen Blick, sondern glänzen auch durch textkritische Ansätze, die dem Religionslehrer an der unterrichtlichen Front zwar durchaus bekannt, jedoch nicht immer geläufig sind. Es macht Freude, „Dei Verbum“ als Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Exegese und schulischer Praxis zu nutzen, um den Lernenden das Wort Gottes und seine Bedeutung für die heutige Zeit nahezubringen.

 

Die Beiträge auf „Dei Verbum“ ersetzen ebenso wenig theologisches Vorwissen wie die selbständige Lektüre der Bibel – aber sie schafft einen nahezu barrierefreien Zugang zu den Textstellen in Altem und Neuem Testament, wenn es darum geht, Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen zu finden. Für meine Unterrichtsvorbereitung ein absoluter Gewinn – denn: Schülerinnen und Schüler verstehen durch die Impulse aus dem Blog, dass das Wort Gottes keine Erzählung aus vergangenen Tagen ist, sondern eine Orientierung für das Leben heute anbietet.

www.dei-verbum.de

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(UN)

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