Wie die Unterrichtsthemen und Schülerinteressen zueinander finden. Religionsunterricht an Berufsschulen.
Im Religionsunterricht geht es um sensible Themen, die Schüler sind in einem Alter, in dem sie vielem kritisch gegenüber stehen. Keine einfache Situation für Pädagogen. Hinzu kommt, dass die Bildungsgänge an den Berufskollegs sehr vielfältig sind. Theo Sprenger unterrichtet Religion an einem Berufskolleg. Er stellt in seinem Beitrag die Sichtweise des Lehrers dar.
ARNSBERG/PADERBORN.- Tischler-Unterstufe, montags 7. und 8. Stunde. Die 15 Schülerinnen und Schüler haben Religionsunterricht, allerdings nur jede zweite Woche, denn mehr ist im Stundenplan meist nicht möglich. Zu Schuljahresbeginn habe ich auch die Nicht-Katholiken eingeladen. In manchen katholischen Lerngruppen finden sich bis zu einem Drittel Protestanten, Muslime, Hindus und Religionslose. Ich weiß, dass in Großstädten das Zahlenverhältnis auch umgekehrt sein kann. Die Erwartungen an den Religionsunterricht habe ich vorab geklärt: Wir lernen, über religiöse Sachverhalte angemessen miteinander zu sprechen und zu urteilen. Dazu braucht es Information.
Ich habe keinen Anspruch, die Wahrheit in wichtigen Fragen des Lebens für meine Schüler zu kennen. Ich kann meine Meinung anbieten und zeigen, wie man Verschiedenheit tolerieren kann. Nicht selten werde ich in Diskussionen direkt gefragt: „Was glauben Sie denn nun?“ Dann ist eine ganz persönliche Antwort von mir gefordert. Spannend ist jeweils die Themen- und Interessenklärung am Beginn des Schuljahres. „Stellen Sie sich vor, Sie können einen Experten über Religion aushorchen – welche Fragen würden Sie stellen?“ Jeder notiert seine Frage und es sind meistens so viele, dass sie nicht in den verfügbaren 40 Stunden bearbeitet werden können. Also setzt die Klasse Schwerpunkte durch Abstimmung. Wer an dieser Stelle stutzt und fragt, ob es denn im Religionsunterricht keine festen Lehrpläne gibt, die die Themen eines Jahres vorgeben, der befindet sich in guter Gesellschaft. Kaum jemand weiß, dass die Bildungsgänge des Berufskollegs sehr vielfältig sind.
Neben der klassischen Berufsschule gibt es Bildungsgänge, die fast alle Abschlüsse bis hin zum Abitur ermöglichen. So kommt es, dass die Lehrpläne religiöse Kompetenzen vorgeben, die an verschiedensten Inhalten entwickelt werden können. Eine Beteiligung der erwachsenen Schüler ist ausdrücklich vorgesehen. Die Tischler des ersten Ausbildungsjahres haben sich mehrheitlich für das Thema „Sterben und Auferstehung“ entschieden. Manche sind durch den Tod von Angehörigen mit der Frage beschäftigt, was denn nach dem Tod noch zu erwarten ist: ewiges Leben, Himmel oder Hölle? Andere fragen, ob Sterbehilfe erlaubt sei.
Tischlereien haben manchmal auch mit Bestattungsarbeiten zu tun. Auszubildende sind dann plötzlich gefordert, würdevoll mit Verstorbenen und verschiedenen Begräbnisformen umzugehen. Wir fragen zunächst, wie man Sterbenden helfen kann, sehen uns eine Dokumentation über das Sterben einer jungen Mutter an. Wir vergleichen die Interviews des Films mit den Aussagen der Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross über die fünf Phasen des Sterbens. „Gibt es Situationen, in denen man das Leben verkürzen darf?“ Wir tragen Argumente zusammen und versuchen, die Grenzen des menschlichen Lebens zu erkunden. Was der Übergang vom Leben zum Tod bedeutet, wird durch die Berichte von Nahtoderfahrungen und so genannten Sterbebettvisionen erarbeitet. Offensichtlich ist die Bewusstlosigkeit im Sterben nicht gleichbedeutend mit einem Filmriss und dem Nichts. Sven bleibt skeptisch: „Das beweist gar nichts.“ Nadine dagegen will nicht glauben, dass mit dem Tod alles vorbei ist. Einzig die Religionen bieten uns hier Symbole und Bilder, die den Übergang in eine immaterielle Welt beschreiben. Nach einer kurzen Übersicht entschließt sich die Lerngruppe zu einem Besuch im Museum Forum der Völker in Werl. Erstaunt erfahren die Auszubildenden dort, dass für die Menschen alter Kulturen das eigene Glück vom Wohl-ergehen der Verstorbenen abhängt. Bei der Auswertung fragt Anna: „Was ist, wenn einer sich umbringt? Wird der beerdigt?“Der Religionsunterricht ist ein offener Prozess der gemeinsam von Schülern und Lehrkräften gesteuert wird, in jeder Klasse werden je eigene Schwerpunkte gesetzt. In der Fachoberschule für Gestaltung ist es diesmal die Formensprache der Kirchen, die das größere Interesse wecken. Im Berufsorientierungsjahr ist es die Frage nach der Entstehung der Welt. Dass es jeweils um das Fach Religion geht, ist unübersehbar. Die Schüler bekommen Zeugnisnoten und ich als Lehrer evaluiere den Unterricht beispielsweise durch einen Fragebogen.
Zur Person:
Religionslehrer Theo Sprenger, Jahrgang 1956, ist Berufsschullehrer für Katholische Religionslehre, Sonderpädagogik und Holztechnik am Berufskolleg Technisch-gewerbliche Schulen Arnsberg. Er ist Mitglied im Bundesvorstand des Verbands Katholischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer an Berufsbildenden Schulen (VKR).
Quelle: Der Dom, Nr. 4, 25. Januar 2009
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(UN)