Beratungsangebot für alle Lehramtsstudierenden wird an der Uni Kassel entwickelt
Ab dem Wintersemester 2008/09 setzt die Universität Kassel bei ihren Lehramtsstudierenden das um, was die Arbeitsgruppe "Eignung für den Lehrerberuf" unter der Leitung des Kasseler Erziehungswissenschaftlers Heinrich Dauber erarbeitet hat: Das Seminar "Psychosoziale Grundkompetenzen im Lehrerberuf", das alle 600 bis 700 Studierenden im ersten oder zweiten Semester belegen müssen. Hier bewegen sich die Anforderungen ganz Uni-untypisch nicht im kognitiven Bereich, sondern die Lehramts-Aspiranten müssen nach einer Selbstreflexion, in der sie sich schriftlich über die Motive für ihre Studienwahl äußern, Übungen durchlaufen, die vier Grundkompetenzen des Lehrerberufs zugeordnet sind: Selbstkompetenz, Handlungskompetenz, Sozialkompetenz und Systemkompetenz.
Beratungsangebot für alle Lehramtsstudierenden wird an der Uni Kassel entwickelt |
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KASSEL. Burnout, hoher Krankenstand, Frühpensionierung - die Vermutung liegt nahe, dass über den Lehrerberuf gesprochen wird, wenn diese Stichworte fallen. Der Kasseler Erziehungswissenschaftler Heinrich Dauber wollte es im Jahr 2003 genau wissen und hat Lehrerinnen und Lehrer befragt, die aus Krankheitsgründen frühpensioniert worden waren. Eines der wichtigen Ergebnisse der Untersuchung war eine Frage: Was eigentlich kann getan werden, um solche Studierenden frühzeitig identifizieren und beraten zu können, die nicht über die für den Lehrerberuf grundlegenden sozialen und personalen Kompetenzen verfügen? "Eine frühzeitige Überprüfung und Beratung erscheint nicht nur im Interesse der Betroffenen notwendig zu sein", sagt Dauber, "sondern auch im Blick auf die Gruppe, die wiederum unter psychosozial belasteten Lehrern selbst am stärksten zu leiden hat, die Schüler."
Ab dem Wintersemester 2008/09 setzt die Universität Kassel bei ihren Lehramtsstudierenden das um, was die Arbeitsgruppe "Eignung für den Lehrerberuf" unter Daubers Leitung erarbeitet hat: Das Seminar "Psychosoziale Grundkompetenzen im Lehrerberuf", das alle 600 bis 700 Studierenden im ersten oder zweiten Semester belegen müssen. Hier bewegen sich die Anforderungen ganz Uni-untypisch nicht im kognitiven Bereich, sondern die Lehramts-Aspiranten müssen nach einer Selbstreflexion, in der sie sich schriftlich über die Motive für ihre Studienwahl äußern, Übungen durchlaufen, die vier Grundkompetenzen des Lehrerberufs zugeordnet sind: Selbstkompetenz, Handlungskompetenz, Sozialkompetenz und Systemkompetenz.
Solche Übungen sind:
Nach bestimmten Regeln kooperativ ein gemeinsames Produkt herstellen;
die ersten zwei Minuten des Auftritts vor einer Gruppe gestalten;
biografische Schlüsselsituationen in pädagogischen Kontexten mit Hilfe von Holzbausteinen darstellen und erläutern;
einen pädagogischen Fall in einer Gruppe vorstellen bzw. im Rollentausch gemeinsam beraten.
Übungen dieser Art zählen eher zum Standardinstrumentarium psychosozialen Arbeitens. In Kassel werden sie an eineinhalb Tagen in Gruppen von 12 Studierenden absolviert, die von zwei Teamern beobachtet werden und die jedem Studenten am Ende eine persönliche Rückmeldung über Auffälligkeiten geben, und gegebenenfalls weitere professionelle Beratung empfehlen. Dieses Modell wird gegenwärtig in einigen Seminaren erprobt und die Teamer - Absolventen erziehungswissenschaftlicher Studiengänge - werden unter der Regie des Doktoranden Timo Nolle ausgebildet.
Für Nolle erwächst aus dieser Aufgabe der Stoff für seine Dissertation. Denn es gilt die Frage zu klären: Welche Beratungsangebote muss die Universität bereitstellen, wenn sich Auffälligkeiten bei den Studierenden zeigen? Die Sorge mancher Doktoranden, dass ihr Thema möglicherweise schon andernorts bearbeitet und damit hinfällig wird, muss Nolle dabei nicht teilen. "Es gibt kein flächendeckendes Beratungstool in Deutschland", sagt er und verweist auf andere Ansätze, die mit Selbsteinschätzung oder Interviews Prognosen über den Berufserfolg erzielen wollen. "Wir entwickeln ein differenziertes Beratungsprogramm", sagt Professor Dauber und setzt sich damit von diesen Methoden eindeutig ab.
Was aber passiert mit Lehramtsstudierenden, die als auffällig-problematisch eingeschätzt werden? Sollten ihnen Auflagen gemacht werden, wird ihnen - zum Beispiel in der später folgenden Phase der Schulpraktika - eine besondere Beobachtung zuteil, können sie ganz vom weiteren Studium ausgeschlossen werden? Diese Fragen sind noch nicht geklärt. Zunächst wird an der Universität Kassel erstmals in Deutschland der Frage der Berufseignung von Lehrern sehr praktisch und "flächendeckend" bei allen Lehramtsstudierenden nachgegangen werden. Weitere Schritte muss unter anderem die Doktorarbeit von Timo Nolle aufzeigen.
Weitere Informationen: Universität Kassel
Quelle: IDW, Ingrid Hildebrand, Abt. Kommunikation und Internationales