Förderschulleiter und Bischof fordern neue Modelle für gering Qualifizierte
TRIER. - „Wir müssen dafür kämpfen, dass die Schwächeren in unserer Gesellschaft nicht einfach abgehängt werden." Mit diesem Appell hat der Trierer Bischof Dr. Reinhard Marx am 29. November in Trier neue Arbeitsmarktkonzepte für Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss gefordert. Anlässlich der alle zwei Jahre stattfindenen Tagung der Leiterinnen und Leiter von Förderschulen im Bistum Trier diskutierte der Bischof unter dem Motto „Schule aus – was nun?" über die Frage, welche Chancen gering Qualifizierte derzeit auf dem Arbeitsmarkt haben. Es sei nicht hinzunehmen, machte der Bischof deutlich, dass Abgänger von Förderschulen ohne Zukunftsperspektiven auf der Straße stünden. „Wenn wir die Schwächeren einfach abdrängen, führt das zu einer Spaltung der Gesellschaft", warnte Marx.
Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Aspekte. „Arbeit hat auch einen anderen Wert und eine Würde", sprach sich der Trierer Bischof für einen eigenen Arbeitsmarkt für Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss aus. Dieser Arbeitsmarkt könne beispielsweise mit Kombilöhnen, Beschäftigungsgesellschaften oder öffentlich geförderter Arbeit geschaffen werden. Nur mit solchen Instrumenten sei die derzeitige Entwicklung zu stoppen, die viele junge Leute zu Verlieren mache. Das zu ändern, sei von öffentlichem Interesse: „Sonst wird unsere Gesellschaft so, wie wir sie uns ganz bestimmt nicht wünschen", sagte Marx.
Wie wichtig der von Bischof Marx geforderte Arbeitsmarkt wäre, zeigten die Praxiserfahrungen der Tagungsteilnehmer. „Der freie Arbeitsmarkt braucht unsere Schüler nicht", machte ein Förderschulleiter die Situation deutlich. Ein anderer schilderte eine Situation, in der ihn ein Schüler gefragt habe, warum sich die Schule überhaupt um ihn kümmere. „Ist doch zwecklos, Mathe vier, Deutsch vier, das heißt doch sowieso Hartz IV", habe der Schüler gesagt. Damit Förderschüler überhaupt noch Perspektiven hätten, forderten die Tagungsteilnehmer auch eine Reform der Unterrichtsgestaltung. Es könne zurzeit nicht oberste Maxime sein, Ausbildungsplatzfähigkeit zu erreichen, sagte Hubert Weis, bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier zuständig für Förderschulen. „Das war einmal und ist nicht mehr". Viel mehr müsse Arbeitslehre zum „zentralen Thema" in den Förderschulen werden. „Wir müssen raus aus dem getakteten Unterrichtsalltag und der Fächerorientierung hin zur praktischen Lebensvorbereitung", forderte Weis eine konkrete Vorbereitung auf den Arbeitsalltag. Als ein Modell nannte er die Zusammenarbeit der Trierer Medard-Schule mit der Benediktinerabtei St. Matthias und dem Josefsstift in einem „Arbeitsweltprojekt". Dort arbeiten Förderschüler seit 2001 unter Aufsicht beispielsweise im Klostergarten oder in der Küche. Es habe sich gezeigt, dass diese Arbeit den Schülern helfe, Werte zu übernehmen und Kompetenzen zu erlangen.Bereits zu Beginn der Tagung hatte Prälat Dr. Herbert Hoffmann, Leiter der Abteilung „Schule und Hochschule" des Bistums, betont, dass es eine „schmerzliche Erfahrung" für junge Menschen sein müsse, nicht gebraucht zu werden oder sich gar als unerwünscht zu fühlen. Wichtig sei es dagegen durch professionelle Unterstützung und Begleitung, verbunden mit persönlicher Zuwendung, junge Menschen zu ermächtigen, „auf eigenen Füßen zu stehen." Wenn die bildungspolitische Diskussion auch zu Recht den Erwerb von Kompetenzen in den Mittelpunkt stelle, die zur Teilhabe auch an der Berufs- und Arbeitswelt befähigten, müsse doch im Blick behalten werden, dass alle Pädagogik im Letzten ziele „auf die Frage und Erfahrung des Unbedingten, auf die Frage nach letztem Halt, nach letzter Geborgenheit, nach letzter Freiheit, nach Gott."
Quelle: Presseservice Bistum Trier
(UN)