(Quelle: Erzbistum Köln / Prinz)

Religiöse Bildung in einer säkularen Welt

Nachrichten | 02.11.2022

Wie funktioniert religiöse Bildung in einer säkularen Welt? Wie kann Glaube heute authentisch gelebt werden? Vor welchen Herausforderungen steht der Religionsunterricht? Und wie können Katholische Schulen Mehrwert schaffen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der 40. Pädagogischen Woche des Erzbistums Köln.

 

Was ist der kirchliche Bildungsauftrag in einer säkularen und religiös pluralen Welt? Mit dieser Frage begrüßte Thomas Pitsch, stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Schule / Hochschule im Erzbistum Köln, die Teilnehmenden am Eröffnungstag der diesjährigen Pädagogischen Woche im Maternushaus in Vertretung der kurzfristig erkrankten Hauptabteilungsleiterin Bernadette Schwarz-Boenneke. „Bei den Menschen zu sein, mit ihnen ihre Fragen zu hören und auszuhalten“, fuhr Pitsch mit einer Antwort auf seine Eingangsfrage fort. Schule sei dabei ein kirchlicher Schlüsselort. Damit leitete er auf den Festvortrag von Professor Michael Ebertz zum Jahresthema „Im Angesicht des Anderen. Christsein ins Gespräch bringen in einer säkulären Welt“ über.

"spirituell" statt "religiös"

Das Christentum trage seine Ursprünge in einem Beziehungsgeschehen, das außergewöhnliche und charismatische Erfahrungen auslöste, illustrierte der Freiburger Theologe und Religionssoziologe Ebertz. In seinem Vortrag identifizierte er die junge Generation als zu Säkularität neigend. Demnach ziehe die junge Generation der von 19- bis 27-Jährigen dem Begriff „religiös“ den Begriff „spirituell“ vor. Der promovierte Religionssoziologe empfahl: „Wir sollten uns das Christentum als Liebesgeschichte vorstellen und an die Erfahrungen der Menschen anknüpfen.“

Herausforderung und Chance für den Religionsunterricht

Die von Professor Ebertz angesprochene „Kohortensäkularisierung“ - also die von Generation zu Generation abnehmende Kirchenbindung - und die daraus resultierenden Herausforderungen für den schulischen Religionsunterricht sowie die Katholischen Schulen in freier Trägerschaft zogen sich thematisch durch das Programm der Pädagogischen Woche vom 24. bis 28. Oktober. Immer weniger Kinder und Jugendliche werden in ihren Familien im klassischen Sinne religiös sozialisiert, was Auswirkungen auf die Aufgaben der Religionspädagogik hat. So ist es heute eine zentrale Aufgabe des Religionsunterrichts Basiswissen und Basiserfahrung zu vermitteln. Ein Wandel, der zugleich Herausforderung ist und Chancen birgt.

Corona, Krieg und Klimawandel

Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, Klimawandel und Kirchenkrise: Die zahlreichen Unsicherheiten unserer Zeit standen am zweiten Tag der Fortbildungswoche im Mittelpunkt, der sich speziell an Lehrerinnen und Lehrer an den Erzbischöflichen Schulen richtete. Krisen unterbrechen das Gewohnte, sagte Thomas Pitsch, Leiter der Abteilung Katholische Schulen in freier Trägerschaft im Erzbistum Köln, bei seiner Einführung in das Tagesprogramm am 25. Oktober. In der Unterbrechung liege aber auch eine Chance, genauer hinzuschauen und nachzujustieren. Zudem ermutigte er die Lehrkräfte, sich auch den kritischen Fragen der Schülerinnen und Schüler zu stellen. Wenn diese in den kirchlichen Schulen keinen Bezugsraum mehr hätten, wo denn dann, fragte der Abteilungsleiter.

Theologe Wiegelmann über Krise und Wahrheit

Einen Einblick, wie dies gelingen kann, gab anschließend Diakon Tobias Wiegelmann in seinem Vortrag rund um das Thema „Authentisch Glauben leben in krisenhaften Zeiten“. Krisen seien nichts Neues, sagte Wiegelmann, der als Diözesanbeauftragter für Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der Hauptabteilung Seelsorge des Erzbischöflichen Generalvikariates tätig ist, schon in der Bibel habe es Geschichten von krisenhaften Entwicklungen gegeben. Folgend leitete er auf die Frage nach der Wahrheit im Kontext von Religion über. „Meine These ist, dass Wahrheit symphonisch ist“, erklärte Wiegelmann. Die Summe des Ganzen, die Fülle der Instrumente mache die Melodie. „Wenn wir die Frohe Botschaft zum Klingen bringen wollen, müssen wir uns irgendwie zusammenfinden. Jede Stimme zählt. Und am Ende geht es darum, sich darauf einzulassen und da in Beziehung zu gehen“, erläuterte der Theologe.

 

 

"Was heißt das eigentlich, christlichen Glauben, katholischen Glauben plausibel zu machen in einer Welt von heute, die so angefragt ist, die so sehr auf Selbstoptimierung (...) setzt? Und zu schauen, was gibt es mehr im Leben als das?"

 

- Christoph Westemeyer, Abteilungsleiter für den Bereich schulische Religionspädagogig im Erzbistum Köln, im Interview mit Domradio.de

 

 

Auf die Frage, wie dies konkret im Unterricht umgesetzt werden könne, empfahl Wiegelmann einen Dreischritt. Ein erster Schritt sei es, sich selbst eine spirituelle Praxis anzueignen. Dies könne in Form von sogenannten Microhabits erfolgen, also kleinen Angewohnheiten, die man in seinen Alltag einbaut. Darüber hinaus sollten Christen mit ihrem Leben Zeugnis geben und auskunftsfähig sein sowie in der Hoffnung leben. Abschließend griff Wiegelmann die bereits von Professor Michael Ebertz genannte Wende von der Religiosität zur Spiritualität auf. „Die Kirche der Zukunft wird mehr und mehr Gefährt:innenschaft sein“, lautete seine These.

Workshops und Austausch am Nachmittag

Am Nachmittag konnten die Teilnehmenden Seminare wie „Identitär oder plural? Wie reagiert christliche Überzeugung auf Ablehnung oder andere Weltanschauungen“, „Moodle und Nextcloud – Möglichkeiten für die Schule“ oder „Austausch zur Beschulung neu zugewanderter Kinder“ besuchen. Im Workshop „Schule, katholisch!“ gab Birgit Heinen, langjährige Schulleiterin des Clara-Fey-Gymnasiums in Bonn Bad-Godesberg, Einblicke in die grundlegenden Charakteristika Katholischer Schulen und wie diese konkret im Alltag umgesetzt werden können. „Lehrer sein ist ein sehr anstrengender Beruf, weil sie immer als Gesamtperson angefragt sind“, sagte Heinen im Gespräch mit rund 17 jungen Lehrerinnen und Lehrern, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Haltung sei das Wesentliche und wie man sich als Lehrperson zu den angesprochenen Themen verhalte. „Sie haben einen Traumjob“, schloss die erfahrene Pädagogin das Seminar, „Nirgendwo gibt es so viel zurück wie in der Schule.“

Katholische Schule in der Diaspora

Zum Abschluss der Fortbildungswoche berichtete Michael Mingenbach vor Kolleginnen und Kollegen von seiner Arbeit als Schulleiter des Elisabeth-Gymnasiums in Halle an der Saale. Die Katholische Schule in Trägerschaft der Edith-Stein-Schulstiftung des Bistums Magdeburg feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. „Der Auftrag lautete von Anfang an: Macht gute Schule für die Leute in Halle“, erklärte Mingenbach, der aus Aachen stammt und das Gymnasium seit 2010 leitet, mit Blick auf die christliche Diaspora-Situation in Sachsen-Anhalt. Das spiegelt sich auch in der Schülerschaft wider: Jeweils ein Drittel katholische, protestantische und konfessionell ungebundene Schülerinnen und Schüler drücken dort gemeinsam die Schulbank – wobei Mingenbach dem Begriff der „Konfessionslosigkeit“ den der „multiplen Säkularitäten“ vorzieht. Die entscheidende Frage für ihn sei, wie Katholische Schule einen Mehrwert schaffen könne. „Wir erzählen den Leuten in Halle: Wir passen auf die Schüler auf, wir sind Partner der Eltern. Dann haben die Leute eine Idee davon, was wir als Katholische Schule wollen. Dann bekommen sie eine Idee davon, was Christen meinen, wenn sie von Christus sprechen“, so der Religionspädagoge.

Die Pädagogische Woche

Die Pädagogische Woche ist nach Angaben des Erzbistums Köln die größte regelmäßige Fortbildungsveranstaltung für den katholischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt haben in diesem Jahr rund 650 Personen daran teilgenommen. Die Pädagogische Woche wird von der Hauptabteilung Schule/Hochschule des Erzbistums Köln in Kooperation mit dem Institut für Lehrerfortbildung (IfL) organisiert und fand zum 40. Mal statt.

(mam)

 

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