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Inklusive Filmbildung

Nachrichten | 29.04.2022

Filme sind ein beliebtes Medium für den Einsatz im Unterricht. Doch können sie auch in inklusiven Lerngruppen genutzt werden? Mit dieser Frage hat sich Regina Weleda im Rahmen einer Fortbildung rund um die inklusive Filmbildung beschäftigt. Für uns hat die Studienleiterin im Amt für Katholische Religionspädagogik Wiesbaden-Rheingau-Untertaunus aufgeschrieben, was Lehrkräfte dabei beachten sollten und wie sie geeignete Filme finden.

 

Anfang März organisierten mein Kollege aus dem Bistum Mainz und ich die jährlich stattfindende Jahrestagung der Religions-Förderschullehrkräfte und in der Inklusion-Tätigen. Lange hatten wir überlegt, welches Thema möglichst für alle ein Gewinn sein könnte und kamen schließlich auf das Thema „Filme“. Wie kaum ein anderes Medium ermöglicht der Film Zugang zu vielfältigen Themen, Perspektiven, Lebenswelten und Kulturen und fasziniert Kinder und Jugendliche - unabhängig von ihrer Herkunft, Bildung und Einschränkungen.

Aber gibt es spezielle Filme für den Einsatz im Religionsunterricht und wenn ja, ist die Beschäftigung mit Filmen in inklusiven Lerngruppen überhaupt für alle barrierefrei möglich?

Sogleich fanden wir für unser Thema einen erfahrenen Experten: Franz-Günther Weyrich, Medienbeauftragter des Bistums Limburg, Leiter des Amtes für Kath. Religionspädagogik Wetzlar.

Er motivierte uns „weiter“ zu denken. Nicht gezielt nach Filmen für den Religionsunterricht zu suchen, so wie es viele vielleicht noch aus ihrer eigenen Schulzeit kennen: Bibelfilme à la Ben Hur oder Erklärfilme zum Judentum, Islam.

Chancen von Kurzfilmen im Unterricht

Er schickte uns eine Auswahl an Kurzfilmen, die auf den ersten Blick überhaupt nicht nach „religiösen“ Filme aussahen. Hier lernten wir, dass Kurzfilme (vor allem erzählende Filme) bestens geeignet sind für den Religionsunterricht. Sie bilden Alltagserfahrungen ab, die den Schüler*innen Empathie ebenso wie Kritik ermöglichen. Oft sind es Grenzerfahrungen oder ethische Herausforderungen, die Zugänge zu religiösen Fragen liefern, ohne sie in abstrakten theologischen Begrifflichkeiten oder einer offenkundigen „didaktischen Absicht“ zu verhandeln.

Für Schüler*innen mit Förderbedarf bieten Filme darüber hinaus folgende Chancen:

 

Stimulation der Sinne, gezielte Erweiterung von Sinneseindrücken


Erweiterung der Kommunionkations- und AusdrucksfähigkeitenErweiterung der nichtlautsprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten


Unterstützung der emotionalen Entwicklung, Stärkung des Selbstwertgefühls durch Kompetenzerlebnisse


Möglichkeit, die eigene Begrenztheit zu überwinden und in andere Rollen zu schlüpfen


Gezielte Förderung von autonomem Handeln und selbstgesteuertem Lernen


Förderung von kooperativen und sozialen Fähigkeiten durch filmbezogene und ergebnisorientierte Lernformen


Anregung zur Reflexion problematischer Mediennutzungsweisen


Reflexive Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensentwürfen und der Lebensumwelt


Eröffnung von Partizipations- und Beteiligungsmöglichkeiten

 

(Quelle: https://www.visionkino.de/fileadmin/user_upload/Unterrichtsmaterial/leitfaeden/Praxisleitfaden_Inklusion_und_Film_Auflage_5.pdf)

Aber ist dies mit allen Filmen und jeder Gruppe möglich?

Wir begannen die vorgeschlagenen Filme unter dem Gesichtspunkt „barrierefreies Filmerleben“ genauer unter die Lupe zu nehmen.

Hier fiel uns auf, dass es in den letzten Jahren zwar immer mehr Materialien zum Thema „Filmbildung“ gibt, aber Filmbildungsansätze, die die Bedürfnisse von Menschen mit einer Behinderung angemessen berücksichtigen, nur unzureichend zum Tragen kommen.

Inklusive Filmbildung: Was ist das überhaupt?

Hier seien drei wesentliche Dinge genannt:
a) Kenntnisse über barrierefreie Filmvorführungen und unterstützende Technologien

b) Geeignete Filmauswahl

c) Inklusive U-Einheiten

Barrierefreiheit

Nicht nur der Raum, wo der Film gezeigt wird, muss barrierefrei sein (Rampe, induktive Höranlage,…), sondern auch Filme selbst müssen barrierefrei rezipierbar sein. Das heißt für Schwerhörige und Gehörlose sind Untertitel und teilweise Gebärdensprachdolmetscher*innen unbedingt notwendig. Für Menschen mit einer Sehbehinderung bieten Filme mit Hörfilmfassung zusätzliche Bildbeschreibungen (Audiodeskription). Für viele Menschen ist eine komplizierte Sprache in Medien eine unterschätzte Barriere. Nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten, auch Hörgeschädigte oder Menschen mit Migrationshintergrund empfinden Deutsch oft als Fremdsprache. Abhilfe können Filme schaffen mit wenig oder gar keinem Text.

Filmauswahl

Die Filmauswahl erfordert besonderes Fingerspitzengefühl. Eine Unterforderung der Schüler*innen im Hinblick auf ihre Bedürfnislage sollte vermieden werden. Erfahrungen zeigen, dass visuell ausdrucksstarke und sinnlich erzählte Filme Schüler*innen mit einem Förderbedarf besonders ansprechen.

Häufig fällt es den Lernenden schwer, die Aufmerksamkeit über die ganze Filmlänge aufrecht zu erhalten. Auch komplexe Handlungen verringern die Konzentrationsspanne. Deshalb bieten sich Kurzfilme oder mittellange Filme an.

Die Filme sollten dabei immer auch Angebot sein, sich mit der eigenen Lebenswelt auseinanderzusetzen. Filme, die sich explizit mit dem Thema Behinderung, Anders-Sein und Ausgrenzung beschäftigen, können hier eine gute Plattform sein. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass Klischees, Vorurteile (sei es in Hinblick auf Behinderung, Geschlecht oder Alter) in den Filmen vermieden und nicht verstärkt werden. (Bsp. Raul Krauthausen, Menschenrechtsaktivist, an Osteogenesis imperfecta erkrankt, berichtet zum Einsatz des Filmes „Vorstadtkrokodile“ in seiner eigenen Schulzeit:  https://halbekatoffl.de/raul-krauthausen-peru/ ).

Bei der Suche nach Filmen unterschieden wir zwei Kategorien:

a)Filme, die gut einsetzbar sind inklusiven Gruppen aufgrund von Barrierefreiheit. Falls Sie an Kurzfilmen interessiert sind, können wir den Zugang zu den evangelischen und katholischen Medienzentralen empfehlen, wo man zunächst kostenlos ein Probeabo eingehen kann: https://medienzentralen.de. Danach kann man es kostenpflichtig abonnieren*

b) Filme, bei denen Menschen mit handicaps mitspielen bzw. dargestellt werden. Bei unserer Fortbildung setzten wir zu der Sparte a) die Filme "Lämmer" (Animationsfilm, 4 Min., empfphlen ab 4 Jahren) und "Mall" (7 Min., emphohlen ab 10 Jahren) ein. Zu der sparte b) zeigten wir "Vorstellungsgespräch" (13 Min., empfohlen ab 14 Jahren).

Eine sehr detaillierte Liste von Spielfilmen zum Thema Handicap im Film finden Sie hier: http://www.handicap-im-film.de/filme.php?letter=&query=&handicap=&sort=jahr&order=ascending

Inklusive U-Einheiten

Um den Bedürfnissen, Kompetenzen und Ausganssituationen der SuS in einer heterogenen Schülerschaft gerecht zu werden, sollten die Methoden der Filmbildung möglichst kreativ, individualisierend und binnendifferenziert gestaltet sein, aber auch kooperativ.

Binnendifferenzierung und Individualisierung kann im regulären Unterricht bedeuten, dass Filme nicht mehr unbedingt als Ganzes von allen erschlossen werden.

Eine gute Methodenanleitung finden Sie in dem oben erwähnten „Praxisleitfaden Inklusion und Film“ von Vision Kino unter S. 22 ff.

Am Ende der Fortbildung stellen wir uns die Fragen, ob inklusive Filmbildung auch Grenzen hat. Wir kamen überein, dass Filme wahrscheinlich kein geeignetes Medium für Unterricht mit schwerst-mehrfachbehinderten oder sehr stark sehbeeinträchtigten Schüler*innen ist. Aber auch hier lassen wir uns gerne durch Gegenbeispiele belehren.

Fazit

Am Ende der Fortbildung waren sich die Teilnehmer*innen, die aus den unterschiedlichsten Förderschulbereichen kamen einig, dass es unbedingt lohnenswert ist, (Kurz-)Filme im Religionsunterricht einzusetzen. Dabei sollte man bei der Wahl des Filmes nicht gleich zum erst Besten greifen und schauen, welcher Film für meine Gruppe barrierefrei rezipierbar ist. Oftmals wird der Mut belohnt, die Schüler*innen auch mal mit „ungewohnten“ Filmen zu konfrontieren!

 

* Hinweis zur Nutzung der katholischen und evangelischen Medienzentralen: In einigen Diözesen ist der Zugang zum Medienportal und dem Angebot der Medienzentralen kostenlos. Andere Bistümer bieten ein gebührenpflichtiges Abo nach einer Probezeit an. Die Konditionen der für den User jeweils zuständigen Medienzentrale können auf der Website nachgelesen oder direkt bei den Ansprechpartner*innen in den Medienzentralen erfragt werden.

 

Autorin des Textes ist Regina Weleda, Studienleiterin im Amt für Katholische Religionspädagogik Wiesbaden-Rheingau-Untertaunus, mit Schwerpunkt „Inklusion“

 

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Inklusive Filmbildung? Ein Erfahrungsbericht von Regina Weleda

 

 

 

 

 

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