Wie werden Kinder und Jugendliche durch Social Media beeinflusst? Im zweiten Teil unserer Interviewreihe mit Simone Meinen, Gymnasiallehrerin und Leiterin der DigitalRunde aus dem Bistum Trier, geht es um den Umgang mit Werbung und Social Media im (Schul-)Alltag und im Unterricht.
Frau Meinen, das Smartphone ist ein Alltagsbegleiter für Kinder und Jugendliche geworden. Es zeigt uns in Social Media häufig eine perfekte Welt. Wie sollen Kinder und Jugendliche damit umgehen?
Es ist wichtig, mit den Kindern über diese Themen zu sprechen. Dazu muss ich als Lehrkraft aber auch Bescheid wissen und Teil dieser neuen Entwicklung – Social Media und KI – sein. Das fällt – zugegeben – manchmal schwer. Ich habe mich schon zu alt gefühlt, um YouTube und YouTube-Influencer nachzuvollziehen, weil ich die Inhalte anders wahrnehme und verstehe. Ich kann tatsächlich auch nicht verstehen, was an Instagram-Influencern oder sogar an TikTok so großartig sein soll. TikTok ist für mich persönlich sehr weit weg. Dennoch sehe ich die Notwendigkeit, mich damit auseinanderzusetzen, denn es gehört zum Leben der Kinder sowie der Schülerinnen und Schüler, die mir anvertraut sind.
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Zur Person:
Simone Meinen ist Lehrerin für Deutsch, Geschichte und Religion an einer Gesamtschule im Bistum Trier. Ihre Schwerpunkte im Unterricht liegen auf der kreativen Umsetzung von Unterrichtsideen mit digitalen Tools. Zusätzlich hält sie deutschlandweit Fortbildungen zu den Themen digitaler Unterricht und Künstliche Intelligenz im Unterricht. Sie ist außerdem Leiterin des digitalen Projektes DigitalRUnde im Bistum Trier. Dabei geht es um zeitgemäßen Religionsunterricht (lehren & lernen) unter den Bedingungen der Digitalität. Ziele sind die Vernetzung von Religionslehrer*innen unterschiedlicher Schularten, die Entwicklung von Plattformen und Formaten für Austausch & Kooperation, zielgerichtete Fortbildung & Beratung und die digitale Qualifizierung von Religionslehrer*innen. Regelmäßig veröffentlicht sie dazu einen Newsletter. Des Weiteren entwickelt sie ein Blog, der die praktische Basis der Arbeit wiederspiegelt.
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Der Umgang mit Social Media sollte in Zukunft also zum Bildungsauftrag eines Lehrers oder einer Lehrerin gehören?
Ich denke, auch ich als Lehrerin muss mich damit auseinandersetzen und reflektieren. Meine Grundeinstellung zu diesen Dingen ist in dem Moment, in dem ich vor den Schülerinnen und Schülern stehe, zweitrangig. Ich muss verstehen, wie Kinder denken und womit sie konfrontiert sind.
Meine Aufgabe ist es, den Jugendlichen vor Augen zu führen, dass diese Welt vielleicht schön aussieht, aber dass unsere Lebenswirklichkeit anders ist. Und dass wir trotzdem ein lebenswertes Leben führen – auch wenn wir nicht zum Yoga-Retreat nach Hawaii fliegen, kein großartiges Auto fahren oder nicht das neueste Handy besitzen. Unser Alltag wird von anderen Dingen bestimmt. Ich muss verdeutlichen, dass Influencer-Marketing eine Marketingstrategie ist. Das sind nicht ihre Freunde, sondern gezielte Werbemaßnahmen. Als Lehrkraft kann man das aber nur erklären und zeigen, wenn man diese Strategien verstanden hat und die Notwendigkeit erkennt, sich damit auseinanderzusetzen.
In welchen Themenbereichen im Religionsunterricht würden Sie das unterbringen wollen?
Beispielsweise in den Zehn Geboten. Hier lässt das Gebot „Du sollst nicht begehren…“ schon eine Auseinandersetzung zu: Inwieweit lässt und Instagram ein anderes Leben „begehren“, wie viel Neid wird durch die Beiträge der Influencer geweckt? Ich erweitere diese Unterrichtseinheit über die Zehn Gebote gerne um das Thema Gewissen. Zur Gewissensfrage habe ich einmal eine Hausaufgabe aufgegeben: Die Schülerinnen und Schüler sollten sich selbst im Alltag beobachten und darauf achten, was ihre Entscheidungen beeinflusst.
Und was haben die Jugendlichen über sich selbst herausgefunden?
Tatsächlich waren sie sehr überrascht, als sie erkannten, dass die meisten Entscheidungen von äußeren Einflüssen geprägt sind. Sie stellten fest, dass sie Entscheidungen treffen, weil sie etwas irgendwo gesehen haben und es selbst ausprobieren wollen. Sie wollten beispielsweise Freunde beeindrucken oder genau dieses Fotomotiv von sich posten, weil es gerade „in“ war, weil es alle machen.
In der Reflexion im Unterricht erkannten die Jugendlichen, dass diese Beeinflussung fest in ihrem Alltag verankert ist. Zum Beispiel galt es eine Zeit lang als trendy, eine „Sleek“-Frisur zu tragen. Das von einer Influencerin empfohlene Gel wurde gekauft, damit die Haare genauso aussahen, wie sie sollten.
Andere Schülerinnen und Schüler nutzten einen auf Social Media beworbenen Füller oder besuchten ein Konzert, weil es in den entsprechenden digitalen Kreisen geteilt worden war. Es gab im Endeffekt niemanden, der keine Beeinflussung bei sich gefunden hat.
Der Einfluss von Werbung ist jetzt nicht neu. Werbung gab es doch schon immer, und auch wir Erwachsene werden von ihr beeinflusst.
Ja, das stimmt, früher gab es auch schon Werbung. Der Unterschied zu heute ist jedoch, dass Kinder und Jugendliche durch die Präsenz in den digitalen Medien viel umfassender beeinflusst werden. Es ist nicht mehr nur die Stunde Werbung im Fernsehen oder das Werbeblatt im Briefkasten oder in einer Zeitschrift – Werbung ist ständig um sie herum. Man kann ihr nicht mehr entkommen, indem man den Fernseher ausschaltet oder die Zeitung zuklappt. Das ist eine neue Qualität, der keine Generation zuvor so ausgesetzt war. Hinzu kommt die Personalisierung durch Algorithmen. Die Werbung ist viel zugeschnittener auf die Zielgruppe – und damit attraktiver.
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Die DigitalRUnde aus dem Bistum Trier beschäftigt sich mit zeitgemäßem Religionsunterricht unter den Bedingungen der Digitalität. Sie erstellen Unterrichtsideen, die sich mit digitalen Tools umsetzen lassen und testen sie im Unterricht. Hier finden Sie den digitalen Direktdraht zur DigitalRUnde oder melden Sie sich für den Newsletter an.
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Was bedeutet das für Ihre Arbeit als Pädagogin?
Unser Anspruch als Lehrkraft muss es sein, Kinder dazu zu befähigen, bewusste Entscheidungen zu treffen. Als Lehrkraft müssen wir mit unseren Lernenden an den Punkt kommen, zu reflektieren, was sie beeinflusst. Ich sage meinen Schülerinnen und Schülern nicht, dass sie sich morgens nicht frisieren sollen – im Gegenteil: Ich trage ja auch gerne Sachen, die mir gefallen. Dennoch ist das dann meine bewusste Entscheidung.
Social Media ist ein Zeitgeist, mit dem wir leben müssen. Wir müssen ihn im Unterricht und auch im Religionsunterricht integrieren. Deswegen dürfen wir das Thema Social Media und KI nicht ignorieren! Schülerinnen und Schüler sollen das Gefühl reflektieren, das die perfekte Instagram-Welt auslöst. Sie sollen sich hinterfragen: Worauf bin ich neidisch? Ist das wirklich alles echt? An dieser Stelle schafft Digitalisierung im Unterricht den Raum, über die eigentliche Recherche hinaus zu einer eigenen Meinung zu kommen, diese im Gespräch mit anderen darzulegen, in der Klassendiskussion zu positionieren und die eigene Meinung zu vertreten.
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KI im Religionsunterricht: "Stillstand ist der größte Fehler!"
Wie funktioniert eigentliche ein KI? Welche KI-Modelle gibt es und wie lassen sie sich sinnvoll im Unterricht einsetzen? Simone Meinen, Gymnasiallehrerin und Leiterin des digitalen Projekts DigitalRUnde im Bistum Trier, spricht über Modelle, Kompetenzen, Datenschutz und Urheberrechtsproblematik im Zusammenhang mit digitalem Unterricht.
Zum Schwerpunkt
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Und wie sollen Schülerinnen und Schüler sich eine eigene Meinung bilden oder sie vertreten, wenn sie nur noch ChatGPT fragen?
Natürlich kann man grundsätzlich ChatGPT alles beantworten lassen. Doch das ist dann wahrscheinlich nicht die Antwort, die zu der Ansicht der Schülerin oder des Schülers passt. Selbst wenn eine Schülerin oder ein Schüler ihre oder seine Ideen sprachlich mit Hilfe von ChatGPT überarbeiten kann, ist es wichtig, die Inhalte auch vertreten zu können. Hier greifen die beiden Seiten wieder zusammen: Wenn ich durch digitale Tools und KI mir die Unterrichtsvorbereitung erleichtere, schaffe ich dadurch bei mir Ressourcen, um mich mehr mit den Inhalten auseinanderzusetzen und mich in neue Themen einzuarbeiten. Digitalisierter Unterricht greift also nicht nur Interessen und Lebenswelt der Lernenden auf, sondern verändert auch meine Vorbereitung und Art, mich mit den Themen auseinander zu setzen.
(Interview: Claudia Klein)
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Digitale Unterrichtsideen mit KI: die Empfehlungen der DigitalRUnde
ChatterPix, BookCreator, Canva – regelmäßig stellt das Team der DigitalRunde die neuesten digitalen Tools und Unterrichtsideen für den Religionsunterricht vor.
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Weiterführende Informationen
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Digitale Tools im Überblick
Digitalität ist aus dem Unterricht kaum mehr wegzudenken. Finden Sie hier das richtige Tool, das zu Ihnen passt. Lesen Sie hier rein!
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Schwerpunkt "Schule digital"
Auch abseits des Distanzunterrichts stellt die Digitalisierung den Bildungsbereich vor Herausforderungen und bietet neue Chancen. Wir haben daher umfangreiches Hintergrundmaterial, medienpädagogische Infos für Groß und Klein, digitale Angebote und App-Baukästen zusammengestellt. Das alles finden Sie in unserem Schwerpunkt "Schule digital".
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Warum sollte man junge Menschen an das Thema KI heranführen?
Kinder und Jugendliche müssen in technologische Entwicklungen, wie sie aktuell vor allem auch im Bereich „Künstliche Intelligenz“ zu beobachten sind, mitgenommen werden. Dies gehört zu den großen Herausforderungen auch im Kontext schulischer Bildungsarbeit. Aus Sicht von Nele Hirsch, Pädagogin und Bildungswissenschaftlerin beim eBildungslabor, kann eine fehlende Auseinandersetzung die Bildungsschere weiter auseinandertreiben. Die Initiative klicksafe spricht in der Interviewreihe mit der KI-Expertin über Deep Fakes, ChatGPT und gibt Tipps für den Schulalltag.
Zu den Interviews
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Aus dem Onlineunterrichtswerk (OUW)
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Einen zusätzlichen Überblick über interaktive Elemente und Tools, haben wir in unserem Onlineunterrichtswerk zusammengestellt. Hier geht es direkt zur Sammlung: Tools für den Religionsunterricht
Die Zusammenstellung erschließt das online vorhandene Angebot auf zwei Wegen:
- Links zu Unterseiten, die sich dem Umgang mit Bildern, Videos, Texten, Beteiligung der Lernenden, Rückmeldung des Wissensstandes
- Links zu Unterseiten, die Anbieter interaktiver Tools und Internetportale, die Lernangebote teilen, und Literaturhinweise aufgelistet werden.
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(ck)