„Nothing to Hide“ ist ein spannender Dokumentarfilm, der die omnipräsente Digitalität in neuem Licht analysiert. Die Gefahren der Massenüberwachung und Datensammlung und die potenziellen negativen Konsequenzen für die Menschen und die Gesellschaft werden drastisch dargestellt. Der Film will sein Publikum dazu motivieren, sich zu engagieren und gegen Massenüberwachung und Datensammlung vorzugehen.
Datensammeln im Hintergrund
Wenn bekannt wird, dass Unternehmen, Organisationen oder Regierungen die Daten von Nutzer:innen oder der Bevölkerung großflächig sammeln und sie somit überwachen, kommt es häufig zu einem medialen Aufschrei. Dabei sollte das Problem eigentlich bekannt sein. Bei jedem Besuch von Internetseiten müssen Nutzer:innen deren Betreibern die Berechtigung geben (oder differenziert widersprechen), Cookies zu speichern, meist zumindest die technisch notwendigen. Auch die Nutzungsbedingungen, die AGBs von Facebook, Google und Co. und natürlich der Anbieter von Apps für Web und Smartphone, beinhalten das Speichern von Daten. Diesen AGBs muss vor der Nutzung aktiv zugestimmt werden, wobei wohl nur eine verschwindende Minderheit sie tatsächlich durchliest. Diese Praktik ist so sehr in das alltägliche Leben und das digitale Handeln eingebunden, dass die Freigabe der persönlichen Daten oftmals nicht (mehr) wahrgenommen wird.
Genauso ist der Wert der Daten, die durch das Agieren im digitalen Raum entstehen, häufig nicht transparent. Unmengen von Informationen gehen aus vermeintlich banalen Handlungen wie Suchanfragen, Onlinekäufen, Wegbeschreibungen usw. hervor. Bei einer genauen Analyse dieser Daten können ganze Tagesstrukturen, politische Orientierungen und vieles mehr offengelegt werden. Die Analyse geschieht mit den heutigen technischen Möglichkeiten durch KI und Computerprogramme und schafft es so, Menschen in Sekundenschnelle zu kategorisieren. Diese Einteilung dient anschließend diversen Zwecken. Beispielsweise kann so personalisierte Werbung geschaltet oder die Manipulation politischer Meinungen betrieben werden.
Das Wissen über Datensammlung und ihre Folgen als Lösung
Diese Punkte stellen nur einige Gefahren der Datensammlung und der (digitalen) Massenüberwachung dar. Die Auswirkungen dieser Praktiken sind massiv und weitreichend. Durch die gezielte Nutzung der Daten kommt es zu einer Gefährdung der Privatsphäre, der Demokratie und der Freiheit. Deshalb ist es wichtig, sensibel für die Thematik zu sein und sich mit den privaten wie gesellschaftlichen Folgen der Datensammlung zu beschäftigen. Die Möglichkeit der globalen Überwachung und Datenspeicherung ist erstmals in der Geschichte der Menschheit gegeben. Deshalb müssen Standards, Gesetze und Grenzen festgelegt werden, die zum Wohl der Menschen und zur Wahrung ihrer Privatsphäre beitragen.
Das Experiment in „Nothing to Hide“ zeigt sehr deutlich, welche Informationen aus einfachen Aktivitäten mit dem Smartphone und dem Laptop gezogen werden können. In dem Experiment arbeiten die Wissenschaftler:innen nicht einmal mit dem Inhalt von Konversationen, sondern nur mit den gesammelten Metadaten. Das zeigt, dass auch die Information, wer mit wem wann kommuniziert sehr viel Informationen für eine Profilbildung enthält. Gleichzeitig zeigen die Statements der Expert:innen, welche Folgen und Auswirkungen diese Art der Überwachung haben kann.
Güterabwägung
Dabei gibt es persönliche und gesellschaftliche Folgen. Bei einer politischen Nutzung der Daten kann es zur Manipulation der politischen Meinung in der Bevölkerung und damit zur Beeinflussung von Machtverhältnissen kommen. Durch die Kategorisierungen können rassistische und andere ungerechte Strukturen perpetuiert und gefördert werden, ohne dass die Bevölkerung dies aktiv und wissentlich unterstützt. Das Bewusstsein über die permanente Beobachtung der eigenen Handlungen schränkt Menschen auf ganz persönlicher Ebene ein. Denn das Verhalten verändert sich, wenn die Menschen wissen, dass sie unter Beobachtung stehen. Entscheidungen sind dann nicht mehr frei. Nicht zu vernachlässigen sind auch die psychischen Folgen, die auftreten können, wenn sich Personen permanent beobachtet fühlen.
Großflächige Datenerhebungen können aber auch positive Zwecke haben. Bei einer selektiven und zumindest teilanonymisierten Datensammlung können Informationen erhoben werden, die gesellschaftlich sinnvoll eingesetzt und genutzt werden können. Sie ermöglichen beispielsweise die Verhinderung von Verkehrsstaus oder den Schutz der Gesellschaft vor Pandemien. Dabei ist nicht zu vergessen, dass es immer zu einer Art Tauschhandlung von Freiheit und Sicherheit kommt, wenn Daten großflächig gesammelt und gespeichert werden.
Wenn Menschen behaupten, dass sie nichts zu verbergen haben und es deshalb egal sei, ob sie beobachtet oder ihre Daten gesammelt würden, kann das oftmals als eine Art Schutzbehauptung verstanden werden. Häufig sind sie sich über die Tatsache ebenso wie die Tragweite ihrer Datenpreisgabe nicht bewusst. Kaum einer von ihnen würde das Handy und den Computer mit allen Passwörtern einer fremden Person im analogen Leben anvertrauen.
Handlungsmöglichkeiten kennen und nutzen
Der Schutz der Privatsphäre ist ein Grundrecht. Es gibt Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Es ist daher essenziell zu wissen, welche Spuren das eigene Verhalten im Internet hinterlässt, was damit preisgegeben wird und wie die Daten verwendet werden können. Sich darüber bewusst zu werden, ist der erste Schritt zur Beschäftigung mit dem Thema Datensammlung und Massenüberwachung.
Wichtig ist dabei die Auseinandersetzung mit den möglichen und tatsächlichen Auswirkungen. Es gilt, kritisch zu hinterfragen, ob das jeweilige mediale und digitale Umfeld den eigenen Wünschen und Bedürfnissen entspricht und wo Vorsicht geboten ist. Die Akzeptanz der Monopolstellung einzelner Unternehmen und der Macht, die diese dadurch bekommen, ist eine gesellschaftliche und politische Frage. Zwar gibt es für den Einzelnen Möglichkeiten, dieses Monopol zu umgehen. Letztlich bedarf es aber eines gesellschaftlichen Bewusstseins und einer Änderung des Verhaltens eines Großteils der Gesellschaft, um effektiv und nachhaltig die Macht einzelner Unternehmen und Organisationen einzuhegen. Dazu gehört auch, wo es möglich ist, freie Tools und Messenger zu nutzen, die Alternativen zu den Angeboten großer Datenkonzerne bieten. Grundlegend dafür ist letztlich die Motivation, sich mit den technischen Möglichkeiten und Funktionen auseinanderzusetzen und in diesem Bereich Medienkompetenz zu erwerben.
Anschließend an diesen Lern- und Erkenntnisprozess können entsprechende Konsequenzen gezogen werden, wie beispielsweise die ausschließliche Nutzung von DSGVO-konformen Programmen, die strengeren Regeln bei der Datenspeicherung folgen. Aus dem individuellen Verhalten können durch Austausch und gegenseitige Aufklärung kollektive gesellschaftliche Prozesse und Ressourcen entstehen. Das kann dazu führen, dass Unternehmen und Programme, die die Privatsphäre von Menschen missachten, gemieden werden. Durch die Dezentralisierung von Diensten und die Forderung von Transparenz können die Menschen die Verbreitung ihrer eigenen Daten besser kontrollieren und generell Datenmissbrauch vorbeugen.
Zum Einsatz in der (außer-)schulischen Medienarbeit mit Jugendlichen ab 13 Jahren
Jugendliche verbringen viel Zeit an ihren Smartphones, an anderen digitalen Geräten und in Social Media. Gerade in den Sozialen Medien spielen Datenschutzverletzungen und die Erhebung von Daten eine entscheidende Rolle. Häufig sind Jugendliche durch ihre Aktivitäten auf diesen Seiten besonders betroffen von Datensammlung, dabei meist ohne sich dessen bewusst zu sein. Da sich gerade zu Beginn von Routinen und Handlungen feste Verhaltensmuster einspielen, ist es ratsam, mit Jugendlichen von Anfang an über ihr Verhalten und ihre digitalen Spuren zu sprechen und sie dafür zu sensibilisieren.
Die Gefahr hinter der Sammlung persönlicher Daten ist zunächst eine sehr abstrakte und vermeintlich weit entfernte. Es ist für die Jugendlichen schwer vorstellbar, dass diese Daten später Auswirkungen auf persönliche und wirtschaftliche Faktoren wie Kreditwürdigkeit und Krankenkassenbeträge oder die Chancen auf einen Job haben können. Diese Themen haben für (jüngere) Jugendliche tendenziell wenig Relevanz. Gerade deshalb ist es wichtig, frühzeitig darüber zu sprechen. Denn von Beginn ihrer digitalen Aktivitäten an müssen sie ein kritisches Bewusstsein entwickeln. Die potenziellen Gefahren und Folgen anzusprechen, kann die Jugendlichen für den Wert ihrer persönlichen Daten sensibilisieren und ihre Zukunft schützen.
Die Thematisierung der Datensammlung und Massenüberwachung fördert das Bewusstsein für die eigenen Rechte im digitalen Raum und verdeutlicht den Stellenwert der Privatsphäre. In diesem Zusammenhang sind auch die Folgen der Einschränkung von Privatsphäre und Freiheit in ihren politischen Dimensionen zu diskutieren. Zudem sollen Gespräche über die Möglichkeiten, sich vor dem Missbrauch der persönlichen Daten zu schützen, stattfinden. Schutzmaßnahmen sollen gemeinsam eruiert, erprobt und getroffen werden. Dadurch wird die Medienkompetenz in den Dimensionen Medienwissen und Medienkritik gefördert. Ziel muss es sein, die Jugendlichen durch praktische Medienarbeit intrinsisch zu motivieren, sich für ihre Rechte und ihre Privatsphäre einzusetzen, kritische Entscheidungen in rechtlichen Dimensionen zu treffen und für diese einzustehen.
Quelle: Clearingstelle Medienkompetenz
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(Clearingstelle Medienkompetenz / un)