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Kunstmann, Joachim, Religion und Bildung, Zur ästhetischen Signatur religiöser Bildungsprozesse (Religionspädagogik in pluraler Gesellschaft; Bd. 2)

Kunstmann, Joachim, Religion und Bildung, Zur ästhetischen Signatur religiöser Bildungsprozesse (Religionspädagogik in pluraler Gesellschaft; Bd. 2). - Freiburg u.a.: Verlag Herder / Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2002. 480 S., - 44.95 (ISBN 3-579-05291-8 = Gütersloher Verlagshaus / 3-451-27887-1 = Herder).

In seiner Autobiographie "Der singende Stotterer" (1983) schildert Walter Dirks, der Mitbegründer und Herausgeber der legendären Frankfurter Hefte, seine ersten kindlichen Eindrücke von der Eucharistie: "Die lange Geschichte meines Umgangs mit dem `Leib des Herrn´ (...) begann vor 75 Jahren, als der kleine dicke Dechant Z. eine schneeweiße reine runde Scheibe, in gotisches Gold gefasst, unter dem brokatenen Himmel durch die Straßen trug: Böllerschüsse, Glockenläuten, Bläserchoräle, kleine weißgekleidete Mädchen mit Kränzchen im Haar, der Duft der ermattenden Büsche am Straßenrand. Die Geschichte war von ihrem ersten Höhepunkt vor 70 Jahren an, der 'Erstkommunion', auf Strecken aufregend, den Kopf und das Herz beanspruchend und erhitzend, auf Strecken langweilig; aber immer wurde das, um was es jeweils ging, als wichtig, als zentral empfunden." Was Walter Dirks hier beschreibt, ist in pädagogischer Diktion ein Bildungserlebnis von offensichtlich lebensprägender Bedeutung. Das kirchliche Ritual, die religiöse und feierliche Atmosphäre, das Verhalten der Umstehenden, der Mitvollzug der Liturgie wecken in dem Kommunionkind den Sinn für das Geheimnis und die Schönheit der Eucharistie. Erst Jahre später wird er verstehen, was Eucharistie bedeutet und warum Christen sie feiern. Doch alles Wissen um biblische Einsetzungsberichte, um die historische Entwicklung der Messliturgie oder die dogmatischen Dispute um Realpräsenz und Transsubstantiation bleiben totes religions- oder christentumskundliches Wissen ohne das prägende Bildungserlebnis der Kindheit, ohne den Sinn für das Geheimnis der Eucharistie. Dieser Sinn wird nicht primär durch theologisches Nachdenken und historische Kenntnisse gewonnen, sondern durch ästhetische Erfahrung: durch die Wahrnehmung der feierlichen Atmosphäre der Fronleichnamsprozession und den Mitvollzug der Liturgie. In der Begegnung mit gelebter Religion entsteht und entwickelt sich die persönliche Religiosität des jungen Walter Dirks.

Dirks' autobiographische Anmerkungen zur Eucharistie veranschaulichen prägnant das Thema, das der evangelische Religionspädagoge Joachim Kunstmann in seiner Habilitationsschrift behandelt, nämlich das Verhältnis von Religion, Bildung und Ästhetik. Wie kann der christliche Glaube tradiert werden, wenn er nicht mehr durch Sozialisationsprozesse abgesichert und kaum mehr als fraglose Einübung in durch Tradition und Institution verbürgte Sprach- und Lebensformen geschehen kann? Die Antwort auf diese Frage findet Kunstmann in der spezifisch deutschen Tradition des Bildungsdiskurses, den er kenntnisreich von Meister Eckhart über Humboldt, Schiller und Schleiermacher bis zu Nietzsche rekonstruiert. Immer wieder trifft er auf Affinitäten und wechselseitige Abhängigkeiten von protestantischer Religion und Bildung, geht es doch beiden um die Entfaltung des Einzelnen. Man sollte hier nicht gleich die konfessionelle Differenz betonen. Denn auch die katholische Rede von der "Beheimatung in der Kirche" impliziert doch, dass der Einzelne durch diese Beheimatung zur eigenen Entfaltung kommt.

Richtig spannend wird die Lektüre jedoch erst im letzten Teil, wo Kunstmann der Frage nachgeht, was religiöse Bildung ist und wie sie erworben wird. Scharf und teilweise polemisch grenzt er sich einerseits gegen religionspädagogische Konzepte (z.B. der problemorientierte Religionsunterricht) ab, die den Sinn religiöser Bildung durch außerreligiöse Zwecke bestimmen, und andererseits gegen die immer wiederkehrenden Versuche, religiöse Bildung mit dem Erwerb von Katechismuswissen gleichzusetzen. Mit Schleiermacher betont er, dass Religion nur durch Religion gelernt werden kann, und den Verfechtern einer neuen Inhaltlichkeit des Religionsunterrichts gibt er zu bedenken, dass Religion sich nicht auf Dogmatik und Ethik reduzieren lässt. Religiöse Bildung beruht für Kunstmann primär auf ästhetischen Erfahrungen, auf der Wahrnehmung religiöser Formen und Gestalten in der Begegnung mit gelebter Religion. Denn Inhalte existieren nicht ohne Form und die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeige deutlich, dass das Verschwinden der Form schließlich zum Verschwinden der Inhalte führt. Folgerichtig avancieren Bibel, Kirchenbau und vor allem Liturgie zu den bevorzugten Medien religiöser Bildungsprozesse. Solche Thesen wirken im evangelischen Kontext provozierend, werden religiöse Formen und Gestalten doch traditionell zu den sogenannten Adiaphora gerechnet, die für den Glauben wohl nützlich, aber eben nicht notwendig sind. Der christliche Glaube aber ist keine Kombination von Dogmatik und Ethik, sondern vor allem ein Lebensvollzug. Jenseits der Glaubenspraxis verliert die christliche Lehre ihre lebensdeutende und lebensprägende Kraft. Ohne den "Sinn und Geschmack fürs Unendliche" (Schleiermacher) bleibt der Katechismus eine Sammlung toter Buchstaben.

Die Konsequenzen dieser These für den Religionsunterricht liegen auf der Hand. Ohne die Begegnung mit gelebter Religion, ohne den zumindest gelegentlichen Kontakt zu Orten und Räumen gelebten Glaubens verkommt der Religionsunterricht zur reinen Religions- oder Christentumskunde, die die Relevanz dessen, was gelernt werden soll, nicht mehr plausibel machen kann. "Religiöse Didaktik", fährt Kunstmann fort, "muss religiöse Praxisformen nicht nur reflektieren und besprechen, sondern immer erst ermöglichen." (435) Das kann im schulischen Religionsunterricht sicher nur ansatzweise geschehen, aber es muss geschehen. Denn religiöse Sprach- und Deutungskompetenz erwirbt man nicht allein im Medium theologischer Reflexion, sondern primär im Mitvollzug religiöser Praxis. Kunstmann bezieht sich hier ausdrücklich auf Karl Rahners Begriff der Mystagogie. Verwandte Überlegungen haben vor kurzen Bernhard Dressler und Rudolf Englert unter dem Label "performativer Religionsunterricht" angestellt (vgl. rhs 1/2002). Das Ziel religiöser Bildung ist für Kunstmann der gebildete Christ: "Ein gebildeter Christ wäre (...) als eine Person zu verstehen, die eine angemessene Form der Beheimatung in Formen und Deutungen der christlichen Tradition und Frömmigkeitspraxis erreicht hat bzw. anstrebt und die im Idealfalle auch die Kriterien der Wahl und die Vollzugsregeln der eigenen religiösen Praxis und Deutungsleistungen angeben könnte." (435)

Diese Zielbestimmung macht jedoch auch deutlich, dass ästhetische Wahrnehmung für religiöse Bildung zwar unerlässlich ist, diese aber nicht auf Ästhetik reduziert werden kann. Wer die Kriterien der Wahl und die Vollzugsregeln der eigenen religiösen Praxis angeben können soll, wird - gerade im Zeitalter des religiösen Pluralismus - auf Rationalität und Ethik nicht verzichten können. Der christliche Glaube erhebt einen Wahrheitsanspruch, den es nicht nur praktisch einzulösen, sondern auch theoretisch zu rechtfertigen gilt. Hier muss man sich jedoch vor falschen Alternativen hüten. Ästhetik und Ethik, Ästhetik und Politik müssen sich nicht widersprechen. Das zeigt die zitierte Autobiographie von Walter Dirks.


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Blum, Matthias/ Hölscher, Andreas (Hg.): Die Kunst der Glaubensvermittlung. Perspektiven zeitgemäßer Religionspädagogik (Berliner Schriften Bd. 17)

Blum, Matthias/ Hölscher, Andreas (Hg.): Die Kunst der Glaubensvermittlung. Perspektiven zeitgemäßer Religionspädagogik (Berliner Schriften Bd. 17). - Berlin: Morus Verlag. 2002. 278 S., EUR 24,90 (ISBN 3-87554-347-5)

Es gibt verschiedene Wege, in ein Studienfach oder eine Wissenschaftsdisziplin einzuführen. Man kann zentrale Themen und Methoden, Geschichte und Entwicklung eines Faches systematisch darstellen. Man kann aber auch führende Vertreter des Faches bitten, den gegenwärtigen Diskussionsstand zusammenzufassen und in einer möglichst allgemein verständlichen Sprache darzustellen. Zu letzterem haben sich die FU Berlin und das Seminar für Lehrerfortbildung des Erzbistums Berlin entschlossen, als sie 1999/ 2000 eine Ringvorlesung zum Thema Verdunstung des Glaubens? Religiöse Bildung in der pluralen Kultur und Gesellschaft initiierten und dazu führende Vertreter der katholischen Religionspädagogik einluden. Wer mit den religionspädagogischen Diskussionen der letzten beiden Jahrzehnten vertraut ist, wird in der Dokumentation der Vorlesungsreihe wenig Neues entdecken. Wer sich hingegen einen Überblick über die gegenwärtige katholische Religionspädagogik verschaffen will, dem verspricht der Band eine gewinnbringende Lektüre. Hier präsentiert sich die deutsche Religionspädagogik mit ihren Stärken, aber auch mit ihren Schwächen. Von beidem ist zu reden.

Der Weg durch die Religionspädagogik beginnt mit der Wahrnehmung und Deutung lebensweltlicher Religiosität. Religion ist heute diffus geworden, so die These des Kölner Dogmatikers Hans-Joachim Höhn. Die Postmoderne ist nicht religionslos. Wohl aber verliert Religion ihre inhaltliche und soziale Bestimmtheit. Religiöse oder religionsäquivalente Phänomene lassen sich in vielen Bereichen der Gesellschaft finden - vom Sport über Kunst und Kultur bis zur Warenästhetik und Werbung. Religion ist allgegenwärtig und deshalb nirgends konkret zu verorten. Diese religionsphänomenologische These wird vom Münsteraner Sozialethiker Karl Gabriel religionssoziologisch gestützt: Die Diffusion von Religion ist wesentlich eine Folge ihrer Pluralisierung und Individualisierung. Beide Autoren sehen im (post-) modernen Umgang mit Religion nicht nur eine Gefahr für Christentum und Kirche, sondern auch eine Chance, wenn die Kirche, wie Gabriel empfiehlt, die Rolle einer "freiheitsbewahrenden Distanzmacht" zum total werdenden Markt und seinen Zwängen einnimmt. Dieser Impuls wird leider von den im engeren Sinne religionspädagogischen Beiträgen kaum aufgenommen. Nur Norbert Mette macht hier eine Ausnahme. Er versucht, die Einsichten der "politischen Theologie" von Johann-Baptist Metz und Helmut Peukert religionspädagogisch fruchtbar zu machen.

Die anderen Beiträge beleuchten vor allem die traditionellen Orte religiöser Bildung, nämlich Schule, Gemeinde und Erwachsenenbildung. Werner Simon und Harald Schwillius erläutern Konzeption und Stellung des Religionsunterrichts in der Schule. Beide plädieren auch in Auseinandersetzung mit dem Fach LER in Brandenburg für einen konfessionellen Religionsunterricht, der Standortgebundenheit mit Offenheit gegenüber anderen Konfessionen und Religionen verbindet. Ein reichlich idealistisches Bild von Gemeindepädagogik zeichnet die Osnabrücker Pastoraltheologin Martina Blasberg-Kuhnke. Es gehört schon eine gewisse Erfahrungsresistenz dazu, die Gemeinde als primären Lernort des Glaubens zu deklarieren. Die freikirchlich inspirierte Gemeindetheologie übersieht geflissentlich, dass nur eine kleine Minderheit der Christinnen und Christen sich gemeindlich engagiert, dass es in der katholischen Kirche immer auch andere Vergemeinschaftungsformen gegeben hat und gibt und dass der religiöse Monopolanspruch der Gemeinde in der Terminologie von Ernst Troeltsch eher zum Sozialtypus "Sekte" passt. Von diesen Engführungen ist der Beitrag von Rudolf Englert frei. Er hält ein überzeugendes Plädoyer für eine kirchliche Erwachsenenbildung, die den christlichen Glauben über den Kreis der Gottesdienstgemeinde hinaus kommunikabel macht und zur Fermentierung der Gesellschaft mit christlichen Inspirationen beiträgt. Dass dies auch angesichts der offenkundigen Krise vieler kirchlicher Einrichtungen der Erwachsenenbildung noch möglich ist, zeigte jüngst die Diskussion von Jürgen Habermas und Kardinal Ratzinger in der Katholischen Akademie München. Sie hätte in einer Gemeinde wohl kaum stattgefunden.

Höchst anregend ist der abschließende Beitrag von Klaus Mertes SJ, dem Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin. Er versteht Schulpastoral bewusst nicht als kirchliche Sozialarbeit an Lehrern und Schülern, sondern skizziert ein Konzept, das Schülerinnen und Schülern im Raum von Schule religiöse Erfahrungen eröffnen will. Seine praxisnahen Überlegungen zur Schulpastoral gehen damit über den Diskussionsrahmen des Bandes hinaus und verweisen auf neuere Überlegungen zu einem "performativen" oder "mystagogischen Religionsunterricht" (vgl. rhs 1/2002 und INFO 4/2003), der nicht nur an religiöse Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler anknüpfen, sondern ihnen auch neue Erfahrungen innerhalb und außerhalb von Schule ermöglichen will. Solch neue Konzepte einer "zeitgemäßen Religionspädagogik" - so der Untertitel - sucht man im dem Dokumentationsband jedoch ebenso vergeblich wie Bezüge zur gegenwärtigen Schulreformdebatte. Kritikwürdig ist auch das vergleichsweise harmlose Bild von Religion in der Postmoderne, das Höhn und Gabriel zeichnen. Spätestens der 11. September 2001 hat uns den offenkundig engen Zusammenhang von Religion und Gewalt wieder bewusst gemacht. Und auch wer Mel Gibsons Deutung der Passion Jesu als Blutorgie ablehnt, wird nicht leugnen können, dass im Zentrum des christlichen Glaubens ein tödlicher Gewaltakt steht. Religion ist keine harmlose Freizeitbeschäftigung. Hier geht es im Wortsinn um Leben und Tod. Eine Religionspädagogik, die "zeitgemäß" sein will, darf den Zusammenhang von Religion und Gewalt nicht ausblenden.

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Du bist Petrus

Bild, Schrift, Textsammlung und Textauszug, Arbeitsblatt mit Aufgabenstellung

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Kirche Gabe - Aufgabe

Sammlung von Kurztexten für die Gruppenarbeit

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"Religion - das steckt schon in einem drin"

Zitate junger Menschen über Glauben und Kirche (aus einer Umfrage des Katholischen Jugendförderwerkes Neuss im Jahr 2001)

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Kirche in der Welt

Arbeitsblatt, Zuordnungsaufgaben von Bild und Begriffen, Kirchturm im Stausee

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Schlüter, Richard: Konfessioneller Religionsunterricht heute? Hintergründe - Kontroversen - Perspektiven

Schlüter, Richard: Konfessioneller Religionsunterricht heute? Hintergründe - Kontroversen - Perspektiven. - Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 2000. 184 S., DM 49.90 (ISBN 3-534-15001-5)

Ist der konfessionelle Religionsunterricht noch sinnvoll in einer Zeit, in der der ökumenische Dialog zu einem weitgehenden theologischen Konsens geführt hat und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kirchen sich immer intensiver gestaltet? Diese Frage stellen sich nicht nur viele Eltern, Schüler und Religionslehrer, sondern auch Religionspädagogen, Bischöfe und Kirchenleitungen. Richard Schlüter, Professor für Praktische und Ökumenische Theologie in Siegen, hat jetzt die unterschiedlichen ökumenischen und religionspädagogischen Diskussionsstränge der letzten 30 Jahre gesichtet und auf den Religionsunterricht hin fokussiert. Angesichts des breiten Konsenses in den theologischen Grundfragen (zumindest zwischen der katholischen Kirche und den Kirchen des Lutherischen Weltbundes) und aufgrund des gegenwärtigen Standes der religionspädagogischen Diskussion auf katholischer und evangelischer Seite ist es für Schlüter keine Frage mehr, ob der schulische Religionsunterricht von beiden Kirchen gemeinsam verantwortet werden kann oder nicht. Zu fragen sei vielmehr, was die beiden Kirchen in Deutschland daran hindert, aus der Übereinstimmung in den christlichen Grundaussagen die notwendigen kirchenrechtlichen und religionspädagogischen Konsequenzen zu ziehen. Um die These Schlüters gleich vorwegzunehmen: Es ist das Interesse an der Wahrung der eigenen konfessionellen Identität und Sozialgestalt, die den ökumenischen Fortschritt behindert oder zumindest doch verlangsamt. Die These könnte außerordentlich fruchtbar sein, wird doch das Feld ökumenischer und religionspädagogischer Forschung damit nicht länger auf die im engeren Sinne dogmatischen Differenzen eingegrenzt. Konfessionelle Identität hat nämlich nicht nur theologische, sondern wesentlich auch kultur-, mentalitäts- und sozialgeschichtliche Dimensionen, die das Verhältnis der Kirchen zueinander auch heute noch prägen, auch wenn es vielen gar nicht bewusst ist. So zeigen etwa die jüngste Studie von Andreas Feige zur Religion der evangelischen Religionslehrer in Niedersachsen oder die Auswertung der Schulversuche zur konfessionellen Kooperation in Baden-Württemberg, dass die konfessionelle Identität der Lehrer doch ausgeprägter ist, als bislang angenommen wurde. Wer freilich neue Erkenntnisse über einen weiteren Begriff von konfessioneller Identität im Spannungsfeld von Theologie, Geschichte und Soziologie erwartet, wird von Schlüter enttäuscht. Er setzt die Wahrung der eigenen Identität und Sozialgestalt schlichtweg mit dem Beharren vor allem der katholischen Kirche auf ein höchst partikulares, aus dem Zeitalter konfessioneller Spaltungen fortdauerndes Kirchesein gleich, dem theologisch heute jede Legitimation fehle. Entsprechend interpretiert er die ökumenischen Dokumente. Wo diese von Übereinstimmungen und Annäherungen sprechen, sind sie theologisch begründet; wo Differenzen und offene Fragen erwähnt werden, geschieht dies wenn nicht nur, so doch wesentlich aus institutionsegoistischen Gründen. Auch das Festhalten der beiden Kirchen am konfessionell getrennten Religionsunterricht sei mehr durch Institutionsinteressen bestimmt als religionspädagogisch begründet. Die katholische Überzeugung, dass Fragen des Amtes und der institutionellen Ausformung des Glaubens nichts Nebensächliches, sondern die notwendige geschichtliche Konkretisierung der Botschaft Jesu sind, vermag Schlüter offensichtlich nicht einzuleuchten, zumindest ist sie für ihn religionspädagogisch irrelevant. Ein eigenartiger Befund bei einem Autor, der die Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer, sozialer und kultureller Herkunft zu den Aufgaben von Kirche und Religionsunterricht zählt. Und zu Recht! Denn nicht zufällig steht am Anfang der Kirche das Pfingstereignis, die Erfahrung von Verständigung und Gemeinschaft über alle sprachlichen und ethnischen Grenzen hinweg. Der Universalismus gehört wesentlich zur Reich-Gottes-Botschaft Jesu und damit zur Kirche, die nur dann die Kirche Christi ist, wenn sie eine wirkliche Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher Herkunft im Glauben an das Evangelium ist. Der christliche Universalismus aber kann national- oder landeskirchlich gar nicht oder nur sehr unzureichend verwirklicht werden. Allein die Universalkirche garantiert, dass die Begegnung mit dem Anderen eine notwendige Dimension meines eigenen Glaubens ist. Das wird auch von den Millionen von Jugendlichen so empfunden, die die Weltjugendtreffen mit dem Papst besuchten und dort ihr Pfingsten erlebten - eine Erfahrung, die für den Religionsunterricht von hoher Relevanz sein kann. Konfessionelle Spezifika sind eben doch mehr als historisch obsolet gewordene Lehrstreitigkeiten: Es geht im Streit der Konfessionen nicht um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft des Christentums. Und diese Zukunft hängt zumindest in Deutschland auch vom Religionsunterricht ab. Im Schlusskapitel "Ökumenisches Lernen" plädiert Schlüter für einen Religionsunterricht, der sich die Themen von der Welt geben lässt und seine Lernziele im konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung findet. "Dieses ökumenische Lernen ist nicht mehr durchgängig und vorrangig mit theologischen Themen und lehrmäßigen Schwierigkeiten belastet" (S. 159). Ein solcher Religionsunterricht unterscheidet sich damit aber kaum noch von Fächern wie Ethik oder Praktische Philosophie. Nach der Lektüre des Buches drängt sich dem Rezensenten der Verdacht auf, dass der vielzitierte Verlust konfessioneller Prägung nichts anderes ist als der Verlust des Christentums selbst. Die Verbindung von christlich und konfessionell ist wohl doch enger, als manche Religionspädagogen meinen.


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Höhn, Hans-Joachim: Vernunft - Glaube - Politik. Reflexionsstufen einer Christlichen Sozialethik

Schockenhoff, Eberhard: Zur Lüge verdammt? Politik, Medien, Medizin, Justiz, Wissenschaft und die Ethik der Wahrheit. Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2000. 526 S. 35.00 (ISBN 3-451-27369-1)
Stellt das moralische Verbot der Lüge eine Überforderung des Menschen dar (18)? Ausgehend von dieser Frage, die nur eine "pessimistische Anthropologie" (31) bejahen kann und welche Eberhard Schockenhoff im ersten Kapitel ("Beitrag der Humanwissenschaften", 13-40) mit Hinweis auf den Menschen als Freiheitswesen, der Kontextgebundenheit menschlicher Rede und der eigenständigen Geltungslogik moralischer Normen verneint, entwirft der Freiburger Moraltheologe ein Handbuch zu einem grundlegenden Bereich angewandter Ethik. Wer sich vom etwas reißerisch formulierten Titel nicht abschrecken lässt und zu lesen beginnt, vermag sich nur noch schwer vom Text zu lösen. In den ersten drei Kapiteln erarbeitet der Verfasser die historischen und systematischen Grundlagen einer Wahrheitsethik (13-206), die Kapitel vier bis sieben behandeln mit den Bereichen Wissenschaft, Medien, Recht und Medizin konkrete Problemfelder (207-264), das kurze achte Kapitel besteht aus einem Epilog, in welchem die Überlegungen im christlichen Sinnhorizont gedeutet und vertieft werden (504-514).
Das zweite Kapitel (41-130) bietet einen historischen Überblick über die ethische Behandlung der Wahrheitsfrage ausgehend von Augustinus mit seinem kompromisslosen Lügenverbot, über Thomas v.A., der die Thematik im Zusammenhang mit der Tugend der Wahrhaftigkeit behandelt und die situative Adäquatheit einer Aussage hervorhob, die Neuzeit mit der Falsiloquientheorie (eine Falschaussage ist erst dann verwerflich, wenn keine Rechtsverletzung hinzukommt) und Kants rigoristischem Lügenverbot bis hin zu gegenwärtigen Beiträgen, in welchen insbesondere teleologische Ansätze und die Deutung einer Pflichtenkollision mit der unumgehbaren Konsequenz des Schuldigwerdens aufgenommen werden. Der Verfasser schließt sich der rigoristischen Tradition des Lügenverbots bei Augustinus, Thomas und Kant an, kritisiert eine rein auf die Folgen rekurrierende teleologische Begründung, ist aber in seinem eigenem Konzept der "situationsadäquaten Wahrheit" immer wieder bereit, Folgenüberlegungen in sein ethisches Urteil einzubeziehen (153: Hebammen von Ex 1, 15-21!, 196f, 202).
Ausgehend vom biblischen Wahrheitsverständnis erläutert er im dritten Kapitel (131-206) moraltheologische Aspekte: Neben dem Aussagewert der Wahrheit (logische Wahrheit) sollte auch deren personale Ausdrucksqualität (Tugend der Wahrhaftigkeit) und deren kommunikativer Grundsinn (Anerkennung des Anderen) mitbedacht werden (194), das moralische Urteil über eine Aussage nur aus dem Kontext heraus gefällt werden. Oberste Richtschnur und Norm bleibe die Liebe (204).
Erkenntnisleitend für den zweiten Buchteil ist die Bedeutung, die der Autor der immanenten Handlungsrationalität der jeweiligen Sachbereiche zuerkennt (206). Was folgt, sind vier eigenständige "kleine Tugendethiken" zu den Bereichen Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit, Recht und Medizin.
Im vierten Kapitel zur Suche nach der Wahrheit in der Wissenschaft (207-264) kritisiert der Verfasser eine naive Fortschrittsgläubigkeit, erläutert die Tugenden eines Wissenschaftlers wie Sachlichkeit, Konsistenz, Bescheidenheit und geißelt so manches Fehlverhalten wie das Plagiat oder das Nichtnennen von Mitarbeitern.
Unter dem Titel "Wahrheit in der demokratischen Öffentlichkeit und in der medialen Kommunikation" entwirft der Verfasser die Grundrisse einer Medienethik, insofern die Geschichte der Pressefreiheit, Interpretationsmodelle medial erzeugter Wirklichkeit genauso wie eine Tugendethik der Medienschaffenden und -nutzer geboten wird (5. Kap., 265-352). Besonders spannend sind die drei Exkurse zur Ausschwitzlüge, den Wahrheitskommissionen und der Politikerlüge zu lesen.
Im sechsten Kapitel zur Wahrheitsfindung im Recht (353-442) wird sehr akribisch in die Welt der juristischen Hermeneutik und der richterlichen Urteilsfindung im Zivil- und Strafprozess eingeführt und insbesondere der Eid als Instrument der Wahrheitsfindung kritisch beleuchtet. Ein ausführlicher Exkurs zum innerkirchlichen Gebrauch des Eides lässt schließlich auch die Bereitschaft des Theologen zur (notwendigen) Kritik an der eigenen Kirche und ihrem Treueeid durchblicken, wenn diese auch sehr behutsam formuliert wird.
Schließlich folgt eine Abhandlung zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der Medizin (7. Kap., 443-503). Historisch-ideengeschichtlichen Überlegungen folgen tugendethische Reflexionen zum Handeln und Entscheiden der Ärztinnen und Ärzte. Abgeschlossen wird das Kapitel mit Gedanken zur Arzt-Patienten-Beziehung. Besonders hervorzuheben ist hier die sensible und gleichwohl kritische Erläuterung der Wahrheit im ärztlichen Gespräch, wobei oberste Richtschnur das Wohlergehen des Patienten bleiben müsse (476). Auffällig ist, dass in erster Linie die Arztperspektive in den Blick genommen wird, eine "Tugendethik für die Patienten" fehlt.
Der erwähnte Epilog schließt das Handbuch mit einer theologischen Interpretation ab, die in ein Plädoyer für Toleranz und Offenheit gegenüber Andersdenkenden mündet (Kap. 8, 504-514).
Personen- und Sachregister ermöglichen das leichte Auffinden von Einzelthemen gemäß den verschiedensten Interessen, mit welchen Leserinnen und Leser zu diesem Handbuch greifen werden. Das ideengeschichtlich und tugendethisch geprägte Grundlagenwerk mit seinen Exkursen zu aktuellen Herausforderungen vermag Welten zu eröffnen und ist als interdisziplinäres Nachschlagewerk sehr zu empfehlen.


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Erosion der Gnadenanstalt? Zum Wandel der Sozialgestalt von Kirche

Ebertz, Michael N.: Erosion der Gnadenanstalt? Zum Wandel der Sozialgestalt von Kirche. - Frankfurt: Verlag J. Knecht. 1998. 384 S., DM 78,00 (ISBN 3-7820-0808-1)

Seit einiger Zeit schon ist klar, dass entgegen aller vordergründigen Behauptung der Sinn für Religion und Religiosität in unserer Gesellschaft keineswegs im Schwinden ist, sehr wohl aber die kirchlich verfasste Religion und Religiosität an prägendem Einfluss eingebüßt hat, unschwer ablesbar in den Biographien der Einzelnen, ebenso ablesbar im kollektiven gesellschaftlichen Bewusstsein, in dem die beiden christlichen Kirchen im Wertepluralismus des nun wiedervereinigten und jetzt neu zusammenwachsenden Deutschlands nur noch eine (wenn auch noch sehr wichtige) Sinnagentur unter anderen ist. Die Plausibilität der katholischen Kirche als "Gnadenanstalt" (Max Weber), als einziger vermittelnder Weg zum christlichen Heil, ist auch unter katholischen Christinnen und Christen weithin verloren gegangen. Nicht nur das theologische Selbstverständnis der Kirche hat sich, etwa durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), gründlich geändert. Vielmehr befindet sich in dessen Gefolge auch die Sozialgestalt der Kirche in einem anhaltenden, dynamischen Wandlungsprozess, der in lebendiger Treue zum Ursprung und zur eigenen Entwicklungsgeschichte (Ekklesiogenese) noch so manch Spannendes hervorbringen kann. Diese Umbruchsituation, in der sich die Kirche in der bundesrepublikanischen Gesellschaft an der Schwelle zum 3. Jahrtausend befindet, ist das Thema der von Michael N. Ebertz vorgelegten und in Konstanz eingereichten soziologischen Habilitationsschrift. Der an der Katholischen Fachhochschule in Freiburg, und inzwischen auch an der Universität Konstanz, lehrende Religionssoziologe liefert in verständlicher Sprache eine durch zahlreiche Befunde (demoskopische und statistische Daten) gestützte Analyse der soziologisch wahrnehmbaren Veränderungen und Entwicklungen der verkirchlichten Religion und Religiosität seit den 50er Jahren bis heute. Aus soziologischer Vogelperspektive versucht er im Gleitflug über die religiöse Landschaft in Deutschland den Umbruch der Sozialgestalt von Kirche wahrzunehmen, zu beschreiben und zu erklären. Sichtbar werden dabei sowohl die historisch unterschiedlich wirksamen, jeweils bewusst gewollten Zielentscheidungen für eine bestimmte Sozialgestalt von Kirche als auch ihre tatsächliche Ausprägung und Veränderung bis hin zur Relativierung der Ursprungsintention ("Von der Konfessionalisierung zur Entkonfessionalisierung", Kap. 1; "Von der Verkirchlichung zur Entkirchlichung", Kap. 2). Angesichts der Pluralisierungsprozesse in der Gesellschaft (strukturell, kulturell, individuell) und einer Entdifferenzierung des Religiösen sieht Michael N. Ebertz "Kirche und Kirchlichkeit unter externem" (Kap. 3) wie auch unter "internem Relativierungsdruck" (Kap. 4). Ebertz bezweifelt, ob eine von katholisch-fundamentalistischen Gruppen aus Angst um ihre christliche Identität gesteuerte Kehrtwende "Vom Pluralismus zum Fundamentalismus?" (Kap. 7) die gewünschte christlich-katholische Identitäts(ver)sicherung erbringen kann, und erläutert seine Vermutung, warum die kirchliche Sozialgestalt in Richtung "Von der Pfarrei zur ‘Gemeinde’: Kirche als milieugebundene Assoziation" (Kap. 8) gehen wird, die mit der Herausbildung neuer kommunikativer Milieus und einer "Kommunikationspastoral der Zwischenräume" ihre Zukunftsfähigkeit erweisen wird. - Erosion der Gnadenanstalt? Die Chance einer Kirche, die sich selbst als "ecclesia semper reformanda" versteht, ist die, diesen Wandel nicht als Verfall zu (miss)deuten und passiv zu erleiden, sondern in stets neuer Ausrichtung am Evangelisierungsauftrag ihres Stifters die notwendige Umgestaltung nicht als Anpassung, wohl aber als Angleichung an die Erfordernisse der jeweiligen Zeit und Kontext(e) kreativ zu gestalten. "Kirche am Ende? Von der Überzeugungs- zur Dienstleistungsorganisation" (Kap. 9) heißt Ebertz’ Ausblick. Man muss Michael N. Ebertz nicht in all seinen Schlussfolgerungen zustimmen, aber seine gründliche Analyse des Wandels der Sozialgestalt von Kirche ist gerade für Hauptberufliche und Ehrenamtliche in der Kirche eine wichtige Wahrnehmungshilfe, die zum Mit- und zum Nach-Denken einlädt und zu eigenen Schlussfolgerungen und Ausblicken anregt.



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Ganztagsschule - Flyer

Zum Gelingen der neuen Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz leistet auch die Diözese Speyer gerne ihren Beitrag. Bereits seit einiger Zeit arbeiten wir erfolgreich mit Ganztagsschulen zusammen. Es zeigt sich, dass sich sowohl für die Schulen als auch für die Diözese hier neue Chancen eröffnen. Der Flyer "Katholische Kirche - Partnerin für die Ganztagsschule. Wir gestalten mit" informiert über Angebote für AGs und Betreuung an Ganztagsschulen

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