Ursula Caberta
Schwarzbuch Esoterik
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2010
192 Seiten 17,99 €
ISBN 978-3-579-06743-8
Der Weltanschauungsmarkt wird unübersichtlicher und es hat den Anschein, dass die sogenannten Sekten zu einem gesellschaftlichen Randproblem werden. Doch der Markt boomt, zunehmend suchen Menschen nach Sinn, Hilfen und Orientierung, die sie bei den Kirchen nicht (mehr) finden und verlieren sich bei esoterischen und okkulten Anbietern. Insbesondere das Internet ist zu einem spirituellen Supermarkt geworden – unüberschaubar die Zahl der Anbieter, mehr oder weniger subtil ihre Anwerbemethoden.
Ursula Caberta, eine ausgewiesene und erfahrene Expertin im Gebiet der Esoterik, trägt ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zusammen und skizziert das zerklüftete Feld der Weltanschauungen. Von 1992 bis 2010 leitete sie die Arbeitsgruppe Scientology bei der Behörde für Inneres in Hamburg. Seit 2011 ist sie Ministerialreferentin für neureligiöse, ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen bei dieser Behörde.
Zunächst verabschiedet sie den Begriff der Sekte als nicht mehr zeitgemäß und folgt dem Vorschlag der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ des Deutschen Bundestages (1994-1998). Sie spricht von neureligiösen, ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen, um die mannigfachen Anbieter im Weltanschauungsmarkt auf der Höhe der Zeit zu beschreiben. Anschließend problematisiert sie eine Besonderheit der deutschen Weltanschauungslandschaft: das Staatskirchenverhältnis, das in Deutschland anders als zum Beispiel in Frankreich keine klare Trennung zwischen Staat und Kirchen kennt. Es bewirkt, dass der Staat nur beschränkte Einflussmöglichkeiten auf religiöse Gemeinschaften hat: „Die christlichen Kirchen haben mit der Fassung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland mit der Übernahme der Vorschriften aus der Weimarer Reichsverfassung mit dafür gesorgt, dass nicht nur ihre Privilegien aus der damaligen Zeit erhalten blieben, sie haben darüber hinaus erreicht, dass es eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche nicht gibt.“ Dadurch können nach Cabertas Erfahrung dubiose und umstrittene Gemeinschaften, die von sich behaupten, irgendeine Form von Religionsausübung zu tätigen, in der Öffentlichkeit ungehindert agieren, bis erkannt werden kann, dass hinter der angeblichen Religion andere Interessen stecken.
Nachdem die Autorin so ihren Blick auf den Weltanschauungsmarkt ausgerichtet hat, entwirft sie in einfacher und spannend geschriebener Weise ein buntes Panorama der bundesdeutschen Eso-Szene. Angefangen bei Internet, Fernsehen und Printmedien, dem wachsenden Gesundheits- und Psychomarkt stellt sie exemplarisch Heiler, Schamanen und Gurus vor und prüft kritisch deren Versprechen. Sie arbeitet die ideologisch-weltanschaulichen Herkünfte im Denken der Anthroposophie, des New Age, des Germanentums oder des Endzeitdenkens auf. Dabei weist sie auch auf christlich-fundamentalistische Bewegungen am Rande bzw. jenseits der Kirchen hin, zum Beispiel evangelikale, freikirchliche oder charismatische Gruppen und fordert von den Kirchenleitungen ein selbstkritisches und wachsames Vorgehen. Ob im Kult um Indigo-Kinder, Jürgen Flieges Fernsehagieren oder Bert Hellingers Familienstellen – Caberta entdeckt in den attraktiv verpackten, oft alternativ therapeutisch gestrickten Angeboten viele autoritäre und repressive Risiken. Sie fordert abschließend neue gesetzliche Regelungen wie zum Beispiel die Überprüfung des Heilpraktikergesetzes, um den Opferschutz zu stärken.
Ursula Caberta legt mit ihrem neuen Buch „Schwarzbuch Esoterik“ eine mit Blick auf die Opfer parteiisch-kämpferische, gleichzeitig informative und leicht lesbare Einführung in das bunte Dickicht der Esoterik vor.
Thomas Wagner
Quelle: Eulenfisch Literatur 5 (2012), Heft 1, S. 60f.
(BW)