Jan Assmann / Harald Strohm (Hg.)
Magie und Religion
(Lindauer Symposion für Religionsforschung 1)
München: Fink-Verlag. 2010
220 Seiten 29,90 €
ISBN 978-3-7705-4877-4
Macht Wahrheit böse? Das Buch kann aus zwei Gründen empfohlen werden: Erstens, es gibt einen materialreichen – natürlich nicht vollständigen – interkulturellen und historischen Einblick in das Thema Magie. Insgesamt wird der Eindruck erzeugt, dass es eine tiefe anthropologische Verankerung und Disposition für magische Praktiken gibt. Menschen sind für Magie begabt.
Für Einsteiger in das Thema sei aber immer noch der Klassiker von Evans-Pritchard, „Hexerei, Orakel und Magie bei den Azande“ empfohlen. Den zweiten Grund, auf den Band hinzuweisen, liefert Jan Assmann, der einen Beitrag und vor allem die Einführung verfasst hat.
Assmann ist inzwischen bekannt geworden als der Prophet der „mosaischen Unterscheidung“. Das Buch „Moses der Ägypter“ (1998) entzündete eine lebhafte Debatte über die Frage, ob der Monotheismus des alten Israel eine maligne Wendung in der Religionsgeschichte darstellte, insofern zum ersten Mal eine Religion mit Wahrheitsanspruch auftrat. Die Wahrheit macht böse, so könnte man Assmanns These zuspitzen. Wer meint, die Wahrheit zu besitzen, wähnt sich im Besitz einer göttlichen Ermächtigung, einer Lizenz zur Gewalt. Dass diese Fragestellung sofort alle Aufmerksamkeit auf sich zog, liegt unübersehbar daran, dass sie alles andere als antiquarisch ist. Die Frage nach dem Zusammenhang von Religion und Gewalt, insbesondere im Islam, aber nicht nur dort, ist weiß Gott hochaktuell. Papst Benedikt hatte sie in Regensburg gestellt. Die Debatte bleibt daher lohnend. Sie läuft u.a. auf die Frage zu, wie es mit dem Monotheismus weitergegangen ist.
Es ist schon wahr, in seiner Gründungsphase trägt er über weite Strecken die Züge einer Ermächtigungsideologie. Er tritt damit in die Konkurrenz zu anderen Ermächtigungsideologien, die es in allen Kulturen und zu allen Zeiten jedenfalls dort gegeben hat, wo Gründe gesucht wurden, um Nachbarn zu Feinden zu erklären und sie zu überfallen. In seiner Eigenschaft als Ermächtigungsideologie wäre also der Monotheismus, indem er die Religion als Treibstoff für Gewalt einsetzt, nichts wirklich Neues. Die eigentliche Innovation, die den Monotheismus von Anfang an zu einer Art Supernova der Religionsgeschichte gemacht hat, liegt in seinem Potential zur Entmächtigung. Wenn Gott als Schöpfer der Welt zu dieser ein echtes Gegenüber bildet, dann relativiert er alle weltlichen Mächte und Gewalten. Der Prophet Nathan kann sich vor seinen König David stellen und ihm die Leviten lesen. Das konnte sich kein Priester im alten Orient leisten, denn der Potentat, vor den er sich wohlweislich erst gar nicht stellte, musste keine Instanz über sich anerkennen. Das war bei David anders. Er muss, anders als Könige sonst, die Gewalt teilen mit einem Partner, der es versteht, über Gesetz und Propheten ihm dreinzureden. Diese eschatologische Gewaltenteilung ist der Ursprung aller Gewaltenteilung.
In der Einleitung zu unserem Sammelband zitiert Assmann wieder einmal ausführlich Passagen aus dem Buch Deuteronomium (7, 1-6, 17-18, 20; 18, 9-22), aber auch das Buch Leviticus (19,31; 20, 6, 27). In diesen Texten wird die Intoleranz des eifersüchtigen Gottes Jahwe ausführlich ausgebreitet und die scharf gezogene Grenze zwischen dem auserwählten Volk und den heidnischen Nachbarn markiert. Diesmal geht es um deren religiöse Praxis, das Kinderopfer, Beschwörungen, Wahrsagerei, Orakel etc. Assmann schildert die ägyptischen, aber auch die mesopotamischen Kontexte als Kulturen der Divination (Wahrsagerei). Diese beruht auf der Annahme, „dass sich der göttliche Wille in innerweltlichen Phänomenen kund tut“. Hier verläuft die Bruchlinie zur neuen Religion Israels. Dessen Gott ist transzendent; er ist der Schöpfer der Welt. Dagegen geht die Magie des Umfelds von der Vorstellung aus, dass das Heilige der Welt immanent und durch Kult und Ritus zugänglich sei. Wieder einmal, wie schon in den anderen Büchern und Texten Assmanns, kann ein höchst wichtiger Ertrag seiner Forschungen darin gesehen werden, dass bei allem Bestreben, den Monotheismus als Quelle der Gewalt zu perhorreszieren, eher beiläufig herauskommt, dass es sich beim Monotheismus tatsächlich um einen nicht hintergehbaren Qualitätssprung in der Religionsgeschichte handelt. Von „biblischer Aufklärung“ zu reden – so weit geht Assmann, anders als der Rezensent, freilich nicht.
Eckhard Nordhofen
Quelle: Eulenfisch Literatur 5 (2012), Heft 1, S. 50f.
(BW)