Doris Walter (Hg)
33 moderne Gottesdienste für Gruppen, Familien und Jugendliche
Graz u.a.: Styria-Verlag. 2002
160 S., EUR 16.90
ISBN 3-222-12948-7
„Alternative“ Gottesdienste – so scheint es mir – erfreuen sich zur Zeit überkonfessionell eines besonderen Interesses. Meist sind es (im katholischen Sprachgebrauch) Wortgottesdienste, da hier, unabhängig von der vorgegebenen Struktur der Eucharistiefeier und des Gemeindegottesdienstes, auch ganz andere Elemente der Gestaltung möglich sind.
So wendet sich das vorliegende Buch an „... Gruppen von engagierten Christen, Rand- und Kulturchristen, die in neuer Weise und zu bestimmten Anlässen des Lebens Gottesdienste feiern.“ Die konkreten Gottesdienstvorschläge sind in vier Kapitel gegliedert:
I. Themen des Lebens (9 Gottesdienstvorschläge).
II. Anlässe des Lebens (10 Vorschläge).
III. Jahresfeste (11 Vorschläge).
IV. Für Jugendliche (3 Vorschläge).
Jeweils einem Gottesdienstthema werden Texte, Meditationen, Bildmeditationen, Lieder/Musik, Tanz und Pantomime, Rollenspiele, Gebete und ein jeweiliges „Ritual“ zugeordnet. Die vorgeschlagenen Gottesdienste wollen „zur Auswahl neuer Inhalte und zu neuen Formen des Feierns“ anregen. „Daher verbinden sie Texte aus der heutigen Zeit (von Schriftstellern, Dichtern und Lyrikern) mit einigen Kerntexten aus der Bibel, die für uns heute Gewicht und Bedeutung haben“ (Zitate aus der Einleitung).
In den genannten, verschiedenen und in der Tat kreativen Elementen finden sich eine Fülle von Anregungen zur Gottesdienstvorbereitung und Gestaltung. Etwas schwer tue ich mich mit dem zumindest wohl so vorgesehenen, festen Ablauf der einzelnen Vorschläge. Mir scheint, eine Darbietung als Bausteine zu verschiedenen Gottesdienstthemen wäre übersichtlicher und käme den Vorbereitungskreisen mehr entgegen, die sich jeweils auch selbst in den Gottesdienst einbringen wollen und eigene Schwerpunkte setzen.
Kritisch betrachte ich die Anregungen im Umgang mit Gefühlen, mit körperlicher und seelischer Nähe bzw. Distanz. Zum Beispiel heißt es im Vorschlag „Sinnlichkeit und Lust“:
„Jeder tritt in die Mitte eines Vertrauenskreises und erlebt darin Zuwendung und Geborgenheit. ... Danach bilden sich Paare. Beide Partner umarmen sich und sagen sich gute Wünsche. Sie legen einander die Hände auf den Kopf, dann salben sie sich gegenseitig auf der Stirn mit gesegnetem Öl.“ Hier wie auch an anderen Stellen (Umarmungen und andere Formen körperlicher Zuwendung werden im Element „Ritual“ häufiger vorgeschlagen) frage ich mich, ob das alles so einfach geht. Zumindest fehlen mir die Hinweise, dass die Anregung zu solchen Gruppenprozessen einer kompetenten Leitung bedürfen, die in der Lage ist, auch mit schwierigen Reaktionen der Teilnehmer umzugehen. Alleine die gute Absicht, z.B. „alle zeigen Mitgefühl“ (Vorschlag „Leiden ertragen“), schützt nicht davor, bei einem anderen Teilnehmer auch heftige Emotionen auszulösen, evtl. alte Wunden aufzureißen und damit – unbeabsichtigt – wieder neu zu verletzen.
Bedenken haben einige Formulierungen bei mir ausgelöst, die – ohne sie offen zu legen und eventuell zu hinterfragen – das Gottesverständnis im eigentlichen betreffen: „Beim Thema „Leiden ertragen“ heißt es: „Im Letzten ist es der göttliche Schöpfer, der uns das Leiden schickt. Aber viele Leiden bereiten wir einander selbst“. Oder zu Unfall und Krankheit: „Der göttliche Schöpfer will von allen Menschen, dass sie ihr Leben entfalten und gesund leben. Doch oft schickt er ein Leiden, aus dem wir für unser persönliches Leben lernen sollen“.
Solchen Aussagen, denen ich äußerst kritisch begegne, haben bei mir die Frage geweckt: Wer sind denn eigentlich die Verfasser? Doch die Angaben sind dürftig: „Doris Walter, Musikpädagogin in Zürich“. Unter „Hinweis zu den Autoren“ stehen nur weitere drei Namen.
Der oben zitierte Hinweis auf „einige(n) Kerntexte der Bibel, die für uns heute Gewicht und Bedeutung haben“, macht mich dann auch stutzig bezüglich des Bibelverständnisses der Autoren.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass das vorgelegte Buch eine Vielzahl kreativer Elemente in den Blick nimmt, die für eine alternative Gottesdienstgestaltung durchaus hilfreich sein können: Eher Bausteine für engagierte Gruppen und einen seelsorgerlich kompetenten Leiter als Vorschläge für konkrete Gottesdienstabläufe. Kritisch betrachte ich das hinter manchen Vorschlägen stehende theologische Grundverständnis, sowie ein vielleicht leichtfertig zu nennender Umgang mit seelischer und körperlicher Nähe.
Werner Görg-Reifenberg
Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 33 (2004), Heft 2, S. 114.