Schulbuch Philosophieunterricht

Buchvorstellung - 30.01.2009

Martin Morgenstern / Robert Zimmer
Treffpunkt Philosophie (Philosophieunterricht Sekundarstufe II)
Bd. 3: Handlungsnormen und Lebensregeln

Düsseldorf: Patmos Verlag 2000
184 S., ill., EUR 9.95
ISBN 3-491-75640-5

(1) Das Unterrichtswerk Treffpunkt Philosophie will „Anlässe und Hilfsmittel für philosophische Diskussionen“ (Bd. 1, 5) im Philosophieunterricht der Sekundarstufe II zur Verfügung stellen. Die fünfbändige Reihe versucht, alle wesentlichen Bereiche der Philosophie abzudecken.

Band 1 setzt ganz schülerorientiert bei den Themen Liebe, Glück und Tod an, um dann in das spezifisch philosophische Denken und die Gegenstände der weiteren Bände einzuführen. Band 2 ist der „Philosophischen Anthropologie“ gewidmet; behandelt werden die Themen Arbeit, Technik, Natur und Kultur, das Phänomen des Bösen und das Leib-Seele-Problem. Die praktische Philosophie wird in zwei Bänden aufbereitet. Band 3 stellt nicht nur die wesentlichen ethischen Ansätze vor, sondern greift auch kontroverse Themen wie die Sterbehilfe und die Tierethik auf. Band 4 hat mit der Staats- und der Gesellschaftsphilosophie zwei große Schwerpunkte. Der letzte Band arbeitet unterschiedliche Facetten der theoretischen Philosophie wie Sprachphilosophie, Erkenntnistheorie, Naturphilosophie, Metaphysik und Religionsphilosophie auf.

(2) Jeder Band ist nach einem übersichtlichen Muster „gestrickt“: Einem Vorwort an die Schüler/-innen und einem die Konzeption umreißenden Wegweiser folgen 5 bis 8 Kapitel, die einheitlich aufgebaut sind. Nach einer kurzen Einführung werden 2 bis 3 Texte präsentiert, die das jeweilige Thema kontrovers behandeln. Das Forum stellt Fragen zur Texterschließung und gibt Impulse für eine vertiefte Diskussion. Jedes Kapitel, das wenigstens ein Forum und höchstens 10 Texte umfasst, wird mit einer sehr hilfreichen Info-Box abgeschlossen, welche die Entwicklung der jeweiligen Thematik in der Philosophiegeschichte nachzeichnet.

Die ausgewählten Texte, die selten mehr als 4 Seiten lang sind, stammen zum größten Teil aus philosophischen Werken und sind vorzüglich aufbereitet: Jedem Textauszug ist eine ausführliche Einleitung vorangestellt; (Schülern) unbekannte Ausdrücke werden in Fußnoten erklärt. Dies erleichtert die Kombination von Texten aus allen Kapiteln des gesamten Unterrichtswerkes nach dem „Bausteinprinzip“ (Bd. 1, 8). Abgeschlossen wird jeder Band mit einem Stichwortverzeichnis und einem Personenregister.

Insgesamt hat die Reihe Treffpunkt Philosophie einen Umfang von über 850 Seiten – eine imponierende Leistung des philosophischen Autorengespanns Martin Morgenstern und Robert Zimmer, die durch einige kritische Anmerkungen nicht in Frage gestellt werden soll.

(3) Philosophieschulbücher wollen nicht länger nur Textsammlung sein und beziehen deshalb neben Schaubildern auch Karikaturen und Bilder der Kunst ein. Doch welcher Stellenwert wird den Bildern zugedacht? Sollen sie den Text (nur) illustrieren oder (auch) zu einem Ort philosophischer Erkenntnis werden? Mir scheint, dass sich die Autoren – mit Ausnahme des Kapitels über Fragen der philosophischen Ästhetik in Bd. 5 – leider für die erste Alternative entschieden haben. Das beginnt bereits mit den fünf farbigen Picasso-Bildern der Buchumschläge, auf die nicht eingegangen wird. Manche Bilder wirken ziemlich deplaziert: Warum wird ein so ernstes Bild wie E. Munchs „Am Totenbett“ in kleinem Format zwischen die beiden Spalten der „Einleitung“ zum Kapitel Mit Leib und Seele – Leben über den Tod hinaus“ (Bd. 2, 119) gequetscht und nicht gedeutet? Im gleichen Kapitel wird ein Descartes-Text zum Leib-Seele-Dualismus durch ein Mosaik aus der Markuskirche in Venedig „aufgelockert“. Es zeigt die Beseelung Adams durch Gott in Gestalt eines kleinen geflügelten Wesens. Soll die mittelalterliche Darstellung Descartes’ Argumentation etwa kommentieren? Dass Bilder philosophisch zu denken geben, lässt sich nicht nur in der Auseinandersetzung mit dem berühmten Titelkupfer von Th. Hobbes „Leviathan“ demonstrieren (welches die Autoren nicht berücksichtig haben). Fazit: Es wird die Chance vertan, Bilder als Quelle philosophischen Reflektierens zu erschließen.

(4) Das Thema Tod wird ziemlich ausführlich und zwar unter den Hinsichten Mit dem Tod leben (Bd. 1, 41-60), Sterbehilfe als moralisches Problem (Bd. 3, 111-124) und Mit Leib und Seele (Bd. 2, 119-142) behandelt. In der Info-Box zum Kapitel Sterbehilfe heißt es, dass „vor allem der katholischen Kirche nahestehende Denker die Sterbehilfe als ein Tötungsdelikt“ (Bd. 3, 124) ablehnen. Aber: Muss man katholisch sein, um zu erkennen, dass die Autoren so wichtige Gesichtspunkte wie beispielsweise den Unterschied von Sterbehilfe und Sterbebeistand oder die Praxis nichtfreiwilliger Euthanasie in den Niederlanden oder das Problem unzureichender Schmerztherapie in Deutschland nicht thematisiert haben?

Das Thema Leben über den Tod hinaus? wird wie erwähnt im Zusammenhang der Leib-Seele-Frage abgehandelt. Als Arbeitsgrundlage bieten die Autoren einen Auszug aus einer R. Dahl-Geschichte über das Weiterleben eines vom Leib abgetrennten Gehirns an; es folgt B. Brechts bekanntes Gedicht „Gegen Verführung“; der anschließende Küng-Text, der die christlich verstandene leibliche Auferstehung erklären soll, ist kaum aus sich heraus verständlich; dann kommt Epikur zum Zuge; abschließend wird R. Nozick mit einigen rhapsodischen Spekulationen zitiert. Im Forum wird dann u.a. der folgende Diskussionsanstoß gegeben: „5) Die Weltreligionen und philosophischen Traditionen haben ganz verschiedene Auffassungen von einem Leben nach dem Tod: Juden und Christen glauben an die Auferstehung der ganzen Person; die Griechen glaubten an ein Weiterleben der Seele; Hinduisten und Buddhisten glauben an eine Reinkarnation ... Welche dieser Vorstellungen halten Sie für wahrscheinlich? Welche sagt Ihnen am meisten zu?“ (Bd. 2, 140) Nun reichen die von den Verfassern angebotenen Texte für eine informierte Diskussion nicht aus (die weiterverbreitete eurobuddhistische Variante der Reinkarnation wird gar nicht erwähnt). In beiden Fragen ist von Gründen nicht die Rede. Eine philosophische Diskussion mag mit Meinungen beginnen; philosophisch wird sie jedoch erst dann, wenn zwischen guten und weniger guten Begründungen zu unterscheiden versucht wird.

(5) Den Abschluss des gesamten Unterrichtswerkes bildet das Kapitel Kann Glaube vernünftig sein? – Gott als Thema der Religionsphilosophie (Bd. 5, 152-176). Religionsphilosophie verstehen die Verfasser im Geiste der Aufklärung als „rationale Diskussion religiöser Inhalte und Formen“ (Bd. 5, 7). Auf diesem gedanklichen Hintergrund erklärt sich die Textauswahl: ein sehr theoretischer Spinoza-Text; B. Pascals berühmte Wette und H. Alberts Erwiderung; zwei Physiker, die nach naturwissenschaftlichen Hinweisen auf Gott fragen; L. Feuerbachs Projektionstheorie und deren Kritik durch H. Küng. Diese Textauswahl scheint mir wenig geeignet – und vielleicht bin ich hier zu sehr ein der „Kirche nahe stehender Denker“ –, ein Gespür für den existentiellen Ernst der Gottesfrage zu wecken: Warum eigentlich fragen und glauben Menschen an Gott?

Aus philosophischer Perspektive ist zu bedauern, dass die Autoren auf den „Gottesbeweis“ des Anselm von Canterbury verzichtet haben. Denn hier kommt Gott als ein Grenzbegriff des Denkens in den Blick – und der radikal fragende Mensch wird sich als das sich selbst überfragende Lebewesen bewusst.

Dass es eminent wichtige Fragen, darauf aber keine endgültigen Antworten gibt, hat Kant der Philosophie ins Stammbuch geschrieben. Von dieser Einsicht lassen sich auch die Verfasser der Treffpunkt(e) Philosophie leiten.

Thomas Menges

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 33 (2004), Heft 2, S. 107f.

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