Claudia Blöser: immanuel kant. aus der reclam Reihe "100 Seiten"

Buchvorstellung - 04.03.2024

Immanuel Kants Philosophie auf 100 Seiten von Claudia Blöser ist ein Appetizer, der Lust auf mehr Kant macht.

Claudia Blöser

Immanuel Kant

Reclam 100 Seiten

Stuttgart Reclam Verlag 2023

102 Seiten mit Abbildungen

10,00 €

ISBN 978-3-15-020704-8

 

Claudia Blöser ist Professorin für Philosophie mit Schwerpunkt Ethik an der Universität Augsburg und Schülerin des Frankfurter Philosophieprofessors und Kant-Spezialisten Marcus Willaschek. In der reclam-Reihe „100 Seiten“ kann man in diesem Umfang etwas lernen über „Mücken“, „ABBA“, „Franz Kafka“ – und nun eben „Immanuel Kant“. Es gehört Mut dazu, sich dieser Aufgabe anzunehmen.

Claudia Blöser verfügt nicht nur über Mut, sondern auch einen roten Faden. Nachdem sie den langen und entbehrungsreichen biografischen Weg Kants zu einer Professur und zur Kritik der reinen Vernunft, die er erst mit 57 schreibt, in knappen aufschlussreichen Skizzen zeichnet, schlägt sie den Ton an, der im Gesamtwerk Kants widerhallt: Die Neugründung der Metaphysik, zentriert auf die Frage der menschlichen Freiheit. Die Kritik der reinen Vernunft wird unter das Motto gestellt, zu Unrecht beanspruchtes Wissen aufzuheben, um Platz für den Glauben zu gewinnen und einen Ausgleich zu schaffen zwischen Erfahrung und Verstand. Kant zeigt, wie die Zusammenarbeit zwischen Begriffsbildung und sinnlicher Wahrnehmung beschaffen sein muss, damit überhaupt Erfahrung möglich ist.

Betreibt die Kritik der reinen Vernunft die Befreiung von unbegründeten Vorurteilen, so geht es in Kants praktischer Vernunft um die Möglichkeit durch Freiheit bestimmten Handelns, die nur gegeben ist, wenn das Subjekt zwischen Gut und Böse durch Gebrauch der eigenen Vernunft unterscheiden kann. Da die Grundfähigkeit der Vernunft die Verallgemeinerung ist, müssen gültige Regeln den Verallgemeinerungstest bestehen.

Die Kritik der Urteilskraft hebt Blöser als geniale Systematisierungsleistung heraus, gelingt es Kant doch, so unterschiedliche Themen wie die Ästhetik, die Biologie und das Verhältnis zwischen Natur und Freiheit aus einem Prinzip heraus zu behandeln, der Zweckmäßigkeit. Unter diesem Aspekt gelingt es, in der Natur als ganzer eine Absicht zu erkennen, nämlich die Existenz eines freien moralischen Wesens.

In seinen späten Jahren konzentriert sich Kant auf politische Fragen wie die Bedingungen des „ewigen Friedens“. Neben die transzendente Hoffnung der praktischen Vernunft, dass das Missverhältnis zwischen Glückswürdigkeit und tatsächlicher Verteilung des Glücks von Gott ausgeglichen wird, tritt die Hoffnung auf ein Völkerrecht, das auf immer Kriege verhindert, und ein Weltbürgerrecht, das der Freiheit aller dient.

Kants aus heutiger Sicht unsägliche Äußerungen zur Rassenfrage und zur Gleichberechtigung der Frauen stellt Blöser unter die Forderung, dass die von Kant angestoßene Aufklärung nach ihm weitergehen muss, da man bei Kant nicht Philosophie, sondern das Philosophieren lernt.

100 Seiten über Kant, das ist im besten Fall ein Appetizer, der Lust auf Lektüre der Originalschriften macht. In diesem Sinne funktioniert das vorgelegte Buch sehr gut. Philosophie- und Religionslehrer sollten es interessierten Lernenden zugänglich machen, denn man kann das Gesamtkonzept und die Einzeldarstellungen gut nachvollziehen. Lediglich im Referat der Kritik der reinen Vernunft geht Detailverliebtheit ein wenig auf Kosten der Verständlichkeit, und Kants lebenslanges Interesse an der Naturwissenschaft kommt m.E. zu kurz, obwohl Claudia Blöser Diplomphysikerin ist. Um es auf den Punkt zu bringen: Die „100 Seiten“ wurden sehr gut genutzt, um mit Kant bekannt zu machen.

 

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