Das Lieblingsfach. Warum der Religionsunterricht unterschätzt wird
Herder Korrespondenz Spezial
Freiburg i.Br.: Verlag Herder 2021
64 Seiten, 14,00 €
ISBN Broschüre: 978-3-451-02748-2 ISBN E-Book: 978-3-451-82220-9
Die Herder Korrespondenz hat im April 2021 eine Spezialausgabe herausgegeben mit dem Titel "Das Lieblingsfach. Warum der Religionsunterricht unterschätzt wird". Im einleitenden Gespräch zwischen Bischof Peter Kohlgraf und dem FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube wird die Problematik auf den Punkt gebracht. Kohlgraf hält es für unmöglich, Philosophie oder Deutsch gänzlich wertneutral zu unterrichten, und reagiert damit auf Kaube, der von dem Argwohn berichtet, den er als Schüler Lehrern gegenüber empfand, die ein linkes Programm durchziehen wollten. Wertneutrale Erziehung ist ein Hölzernes Eisen; aber der linke Deutschlehrer unterrichtet eben Deutsch und nicht Links-Deutsch, nur die katholische Religionslehrkraft gibt zu, dass sie einer Konfession angehört, die nicht alternativlos ist. Das gilt natürlich ebenso von den Unterrichtenden der anderen Konfessionen.
Im Heft differenziert Jörg Dieter Wächter, der Vorsitzende der Koleischa, die verschiedenen Modelle, wie das Verfassungsprinzip der Konfessionalität angesichts der zunehmenden Differenzierung der religiösen Orientierung und der wachsenden Kirchenferne der deutschen Bevölkerung in den Bundesländern geregelt wird. Die Tendenz zu Kooperationen zwischen den Kirchen und Religionsgemeinschaften wird von ihm durchaus begrüßt.
Mit den Modellen kommt aber nicht in den Blick, wie einzelne Unterrichtende und Lernende Religionsunterricht erleben, was in den Schulen tatsächlich geschieht, einschließlich verschiedener Spielarten des Etikettenschwindels. Ulrich Riegel und Mirjam Zimmermann erwähnen in ihrem Beitrag Regelungen, die unter der Hand praktiziert werden. Daher ist es gut, wenn konkrete Bildungswege zur Sprache kommen, z.B. der von Ulla Hahn, der die Schwester des Kaplans die Tür zur Bibliothek aufschloss, ein Wunder nach dem Willen Gottes, wie Hahn mit ironischem Unterton ausruft. In Mario Adorf bestärkte der Religionsunterricht die Neigung zum Infragestellen der Autoritäten; er bekennt, nicht an den dreifaltigen Gott der katholischen Kirche glauben zu können, obwohl er sich nicht als ungläubig bezeichnet. Das lässt fragen, ob Adorf mit dem Glauben an die Dreieinigkeit und seinen religionsgeschichtlichen Folgewirkungen jemals so konfrontiert wurde, dass sein Interesse hätte geweckt werden können. Das passt gut zum Vorwurf von Gerd Neuhaus, der im Religionsunterricht eine einseitige Lebensweltorientierung diagnostiziert, sodass das von den Synode 1974 geforderte Verstehbarmachen des Glaubens aus Furcht vor „Verkopfung“ abhanden gekommen ist.
Eine erfrischend andere Geschichte erzählt Jakob Johannes Koch, der sich in den Komponisten Ludwig van Beethoven (1770-1827) versetzt. Aus heutiger Sicht hatte er eine grottenschlechte religiöse Bildung, und er musste mit elf Jahren seine Schullaufbahn viel zu früh abbrechen. Aber man kann nicht von der Hand weisen, was Koch Beethoven in den Mund legt: Hört .. meine „Missa solemnis“ und Ihr werdet den wahren Religionsunterricht erleben.
Im Heft taucht immer wieder Werbung verschiedener kirchliches Institutionen für den Religionsunterricht auf. Erik Flügge, Dozent für crossmediale Kirchenkommunikation, analysiert sie auf ihre Wirksamkeit und kommt zu dem Schluss: Häufig zu raffiniert, zu bemüht-witzig, zu sehr um die Ecke gedacht, die eigentliche Botschaft als Randerscheinung. Richtig wäre: Wenig sagen, dies Wenige deutlich sagen und häufig wiederholen. In Anwendung der Überschrift Flügges auf den Inhalt des Religionsunterricht wäre das: Glauben an Gott gibt es; Glauben ist gut; liebt einander.
Dr. Karl Vörckel