Buchvorstellung - 30.10.2010

Melancholie nach dem Prager Frühling

Alain Claude Sulzer
Privatstunden

Frankfurt am Main: Suhrkamp-Verlag 2009
237 Seiten
ISBN 978-3-518-46111-2

Ende der 60er Jahre, vermutlich nach dem Prager Frühling, kommt ein junger Osteuropäer namens Leo nach Deutschland. Er spürt die Fremdheit und Kälte seines Zufluchtslandes nicht zuletzt auch in der Sprache, die ihm nicht recht von den Lippen kommen will. Durch eine schicksalshafte Vermittlung nimmt er Privatstunden in deutscher Sprache bei der 37jährigen Martha.


Buchvorstellung - 16.10.2010

Ein Jahrhundert im Roman

Carsten Jensen
Wir Ertrunkenen

München: Knaus-Verlag 2008
784 Seiten
ISBN 978-3-8135-0301-2

Es gibt nur wenige derart großartige Romane wie diesen, denen es gelingt, eine Vielzahl von Genres zu verbinden: Seefahrerroman, Liebesroman, Zeit- und Sittengemälde, ein wenig Krimi vielleicht, eine Prise Humor (die ganz sicher) und jede Menge Abenteuer.


Buchvorstellung - 13.10.2010

Psychogramm unserer Gesellschaft

Peter Stamm
Sieben Jahre

Frankfurt am Main: S. Fischer-Verlag 2009
304 Seiten
ISBN 978-3-10-075126-3


Der jüngste Roman des 1963 geborenen Schweizer Autors Peter Stamm nimmt das biblische Motiv der Dreiecksbeziehung zwischen dem Stammvater Jakob und seiner geliebten, schönen Frau Rahel sowie der eher unattraktiven, weniger geliebten Frau Lea. Stamm wandelt das biblische Motiv indes um, indem er die Geschichte von Alex, der mit seiner bildhübschen, strebsamen und ordentlichen Frau Sonja zusammenlebt, erzählt.


Buchvorstellung - 11.10.2010

Priesterroman

Dieter Wellershoff
Der Himmel ist kein Ort

Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch 2009
304 Seiten
ISBN 978-3-462-04134-7


Seit Petra Morsbachs Roman „Gottesdiener“ ist das Genre „Pfarrerroman“ in der deutschsprachigen Literatur aus seiner zölibatsdenunziatorischen Schmuddelecke befreit worden und zum Schauplatz menschlichallzumenschlicher Tragik zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Hoffnung und Scheitern zurückgeführt worden.


Buchvorstellung - 09.10.2010

Versuch einer Antwort auf die Frage nach Glück

Norbert Scheuer
Überm Rauschen

München: Verlag C.H. Beck 2009
167 Seiten
ISBN 978-3-406-59072-6

Norbert Scheuer gehört seit längerer Zeit zu den Geheimtipps der deutschsprachigen Literatur. Immer mal wieder – sei es in Klagenfurt oder unlängst auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis – gilt er als preiswürdig und erfolgsverdächtig, bleibt aber dann doch wieder eher ein unberücksichtigter Autor der zweiten oder dritten Reihe. Dass dies zu Unrecht geschieht, zeigt wieder einmal sein letzter Roman „Überm Rauschen“, der auch diesmal in der Eifel spielt, wo Scheuer 1951 geboren wurde.
 


Buchvorstellung - 07.10.2010

Alltagswirklichkeit versus biblische Weisung

Andrej Longo
Zehn. Erzählungen

Frankfurt: Eichborn 2010
160 Seiten
ISBN 978-3-8218-6112-8

Als zwischen 1988 und 1989 der polnische Regisseur Krzysztof Kieślowski seine Reihe „Dekalog“ realisierte, in denen er zu den zehn Geboten zehn meisterhafte Filme, die allesamt in einem Neubaugebiet am Rande einer polnischen Stadt spielen, zu einem Zyklus verband, entstand nicht nur ein aktualisierter, sondern auch ein mehrdimensionaler Blick auf das Zehnwort vom Sinai, der begierig in schulischen und erwachsenenbildnerischen Zusammenhängen aufgenommen wurde.
 


Buchvorstellung - 05.10.2010

Ausstieg aus den Zeitläufen

Jochen Schimmang
Das Beste, was wir hatten

Hamburg: Edition Nautilus 2009
320 Seiten
ISBN 9-783894-015985

Als im November 1989 die Mauer fiel, kam nicht nur ein DDR genannter Teil Deutschlands zu seinem Ende, sondern auch das, was man „Bonner Republik“ nannte. Jochen Schimmang (geb. 1948) erzählt in seinem Roman „Das beste, was wir hatten“ die Geschichte von Gregor Korff, einem politischen Berater eines bedeutenden Ministers aus dem Kabinett Kohl, der in den Strudel der geschichtlichen Ereignisse gerät, in dem seine heile rheinische Welt, in der er sich geborgen fühlt und eingerichtet hat, untergeht.
 


Buchvorstellung - 03.10.2010

Paradies und Sündenfall

Jutta Richter
Der Anfang von Allem

München: Carl Hanser-Verlag 2008
104 Seiten
ISBN 978-3-446-23096-5

Nein, der nebenstehende Cartoon ist nicht von Jutta Richter und nicht aus ihrem Buch „Der Anfang von Allem“. Er stammt aus dem Comic-Roman „Prototyp“ (Rowohlt 2008) des seit 27 Jahren mit alles andere als unumstrittenen Cartoons an die Öffentlichkeit tretenden Zeichners Ralf König. Dieser äußerte sich in einem Interview vom 15. Oktober 2008 dahingehend, dass die Bibel „jede Menge absurden Stoff“ hergebe und er sich deshalb, wie er es nennt, mal ganz auf „Religionsverwurstung“ konzentriert habe.


Buchvorstellung - 01.10.2010

Ein Liebes- und Bildungsroman

Ulrike Draesner
Vorliebe

München: Luchterhand Literaturverlag 2010
256 Seiten
ISBN 978-3-630-87294-0

Sollte man einen Roman auf einer Internetpräsenz für den Zusammenhang von Theologie und Literatur nur deshalb empfehlen, weil in ihm ein protestantischer Pfarrer und eine Pfarrersfrau vorkommen? Natürlich nicht! Das wäre nicht nur zu einfach, sondern ginge auch am Interesse dieses Forschungsfeldes völlig vorbei. Es gibt viele gute Gründe, auf das neue Buch von Ulrike Draesner hinzuweisen. Da ist zum einen die überlegte, vielfach schillernde Sprache, für die Ulrike Draesner bekannt ist. Ein Wort hat bei ihr zumeist mehr als nur einen Sinn.
 


Buchvorstellung - 29.09.2010

Prosa von Thomas Bernhard

Thomas Bernhard
Meine Preise
Eine Bilanz. Erstausgabe aus dem Nachlass

Frankfurt am Main: Suhrkamp-Verlag 2009
144 Seiten
ISBN 978-3-518-42055-3

Im Februar des Jahres 2009 kommt man nicht umhin, ein Buch von Thomas Bernhard zum Buch des Monats zu küren und ihm viele Leserinnen und Leser zu wünschen. Am 12. Februar jährt sich zum zwanzigsten Mal der Todestag dieses epochemachenden österreichischen Schriftstellers. Unendlich die Flut der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die sich mit Thomas Bernhard und seinem Werk beschäftigen.
 


Buchvorstellung - 28.09.2010

Kindheit im katholischen Köln

Hanns-Josef Ortheil
Die Erfindung des Lebens

München: Luchterhand-Verlag 2009
592 Seiten
ISBN 978-3-630-87296-4

Vielleicht ist der Beginn der Literatur ja der, dass jemand seine und eben nicht nur eine Geschichte erzählt. Hanns-Josef Ortheil, „altgedienter“ Schriftsteller und Professor für kreatives Schreiben legt mit seinem jüngsten Roman „Die Erfindung des Lebens“ eine autobiographisch gefärbte Erzählung vor, in deren Mittelpunkt Johannes Klatt steht, der fünfte Sohn eines Ehepaars, das vier Kinder in der Kriegs- und Nachkriegszeit verloren hat.
 


Buchvorstellung - 27.09.2010

Frage nach menschlicher Schuld und Sühne

Paul Auster
Unsichtbar

Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2010
320 Seiten
ISBN 978-3-498-00081-3

Dieser Mann schaut, als hätte er einen Blick in alle menschlichen Abgründe getan. Und tatsächlich: Paul Auster schafft es in seinen Romanen immer wieder, gefährliche Grenzgänge zu wagen. Eindeutig ist bei ihm zunächst nichts. Und das, was geschieht, hat zumindest drei oder vier Erklärungsmöglichkeiten. In seinem neuen Roman „Unsichtbar“ erzählt Paul Auster die Geschichte eines jungen Studenten, Adam Walker, der in den sechziger Jahren in New York Schriftsteller werden möchte.
 


Buchvorstellung - 24.09.2010

Erinnerungen an die Kindheit

Peter Kurzeck
Ein Sommer, der bleibt
Peter Kurzeck erzählt das Dorf seiner Kindheit

Berlin: supposé-Verlag 2007
4 Audio CDs (290 Minuten)
ISBN 978-3-932513-85-5

Im Oktober wird traditionellerweise der Büchner-Preis verliehen. Einer, der ihn schon längst verdient hätte, ist Peter Kurzeck, der mit seiner wunderbaren Sprache Geschichte in Geschichten einfängt. Vor zwei Jahren erschien von ihm und mit ihm ein grandioses Projekt: Peter Kurzeck erzählt - vergleichbar der Improvisation der Bluessänger in den hessischen Army-Clubs der Nachkriegszeit - das Dorf seiner Kindheit.


Buchvorstellung - 22.09.2010

Vom Berührtsein und Sehendwerden

Arnold Stadler
Salvatore

Frankfurt am Main: S. Fischer-Verlag 2008
224 Seiten
ISBN 978-3-10-075124-9

„Noch ein Buch der Sehnsucht“, heißt es im Frontispiz des neuen Buches von Arnold Stadler. „Für die mit der Sehnsucht nach dem ganz Anderen.“ Und dann entfaltet Stadler diese „Sehnsucht“ zur „Seh-Sucht“, indem er Mt 20,29-34 im Wortlaut der eigenen Übersetzung anschließt, wo zwei Blinde hinter Jesus herrufen und ihn bitten: „Herr, wir möchten, dass du uns die Augen öffnest! Wir möchten sehen!“, was das Mitleid Jesu weckt und ihn dazu bringt, ihre Augen zu berühren und sie zu heilen.


Buchvorstellung - 20.09.2010

Ein Buch der Gottsuche

Julian Barnes
Nichts, was man fürchten müsste

Köln: Kiepenheuer & Witsch 2010
320 Seiten
ISBN 978-3-462-04186-6

Der Sommer ist eigentlich keine Zeit, um an den Tod zu denken – das ist anderen Jahreszeiten vorbehalten. Und dennoch: Wir sind mitten im Leben – also auch mitten im Sommer – vom Tod umfangen. So gesehen ist es immer Zeit, sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen.