Ludger Honnefelder (Hg.)
Gott denken?
Eine Spurensuche in Literatur und Religion
Berlin: Berlin University Press. 2009
176 Seiten, 14,90 Euro
ISBN 978-3-940432-51-3
Was meinen wir, wenn wir „Gott“ sagen? Wer ist „Gott“? Kann man „Gott“ denken? Antworten auf diese Fragen sind menschlich-existentiell, sozusagen zeitübergreifend bedeutsam. Sie haben darüber hinaus an Aktualität gewonnen. Dafür nur zwei Beispiele: Die Debatte um den „Neuen Atheismus“ und die mittlerweile weltweiten bis in den zwischenmenschlichen Alltag reichenden religiös grundierten zwischenkulturellen Spannungen. Die hier versammelten „Spuren“ des Nachdenkens über „Gott“ bringen eine entscheidende Dimension zum Vorschein:
Alles „Gottdenken“ beruht letztlich auf Einsichten und Entscheidungen einzelner Personen (den Leser eingeschlossen), was sich in unterschiedlichen, ja einander entgegengesetzten Antworten und Haltungen angesichts der Endlichkeit menschlicher Existenz spiegelt. Die vorliegende Textsammlung geht dem nach: anhand von Zeugnissen aus verschiedenen Zeiten und Kulturkreisen, anhand von Grunddokumenten der Weltreligionen, anhand der Stellungnahmen von Theologen, Philosophen und Schriftstellern. Fünf existentiell bedeutsame Gesichtspunkte dienen der Orientierung: „Suche nach Ursprung“, „Erfahrungen des Göttlichen“, „Veränderung des Lebens“, „Abwesenheit Gottes“, „An der Grenze des Lebens“. „Gott denken? – Ein Nachwort“ schließlich erörtert knapp einige Grundprobleme am Leitfaden der Position Ludwig Wittgensteins (ist diese wirklich so exemplarisch?) und am Leitgedanken „religiöse Erfahrung“ Dieser fast bis zur Beliebigkeit abgeschliffene und daher problematische Begriff ist hier akzeptabel, weil er in seinem Gebrauch darauf beschränkt bleibt, das Individualmoment der Standpunkte festzuhalten. Darauf kommt es für den Zweck der Textsammlung ja an.
Wie bei jeder Textauswahl hätte man hier und da anders entscheiden können, insgesamt sind die hier zusammengestellten Texte der Aufgabenstellung angemessen und für den Leser aussagekräftig und anregend. Sie eignen sich vorzüglich als „Repertorium“ und als Fundgrube: Sie erweitern den eigenen Horizont aus erster Hand, und sie lassen sich als zuverlässige Quellengrundlage für Lehrveranstaltungen einsetzen. Außerdem bieten sie sich als „Vademecum“ durch das Jahr und die Jahre, bestärkend oder herausfordernd, an. Ein Autoren- und Quellenverzeichnis rundet die Präsentation ab: Die Lebensdaten der zitierten Autoren laden dazu ein, die historische Situation für den Sinngehalt der Texte „damals“ und „heute“ mit zu bedenken. Die bibliografischen Angaben zu den Ausgaben erleichtern es, das Verständnis der ausgewählten Texte anhand ihres unmittelbaren Kontexts zu vertiefen.
Hermann Schrödter
Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 2, S. 32. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]