Georg Langenhorst
„Ich gönne mir das Wort Gott“
Annäherung an Gott in der Gegenwartsliteratur
Freiburg u.a.: Verlag Herder 2009
328 Seiten 24,95 Euro
ISBN 978-3-451-32226-6
Nach seinen Veröffentlichungen zu Gedichten zur Bibel und zur Gottesfrage sowie dem Handbuch „Theologie und Literatur“ begibt sich Georg Langenhorst erneut auf eine Spurensuche im Begegnungsfeld von Literatur und Theologie. In seinem neuen Werk beschäftigt er sich konkret mit der Frage, wie sich Literaten der deutschen Gegenwartsliteratur (etwa sei
Dabei geht er von der These aus, dass eine zunehmende Marginalisierung von Religion und Gottesfrage in der Literatur, wie sie für weite Teile des 20. Jahrhunderts konstatiert worden ist (vgl. z.B. G. Benn: Gott als „schlechtes Stilprinzip“?), heute so nicht mehr zutreffe. Dies soll auch der Titel des Buches verdeutlichen, der einem Zitat des Autors Andreas Maier entlehnt ist: „Irgendwann habe ich damit angefangen, mir die Verwendung des Wortes Gott zu gönnen. Wenn man sich dieses Wort verbietet, hat man extreme Schwierigkeiten, bestimmte Dinge zu sagen.“ Zugleich sieht Langenhorst die Literatur als sensiblen Seismographen der Gesellschaft, sodass diese Wahrnehmungen von Gott in der Gegenwartsliteratur auch Zeichen für eine generelle gesellschaftliche Entwicklung seien, aber nicht einer Renaissance von Religion, einer Wiederkehr von Altbekanntem, sondern einer neuen, anderen, offenen Präsenz des Religiösen in pluraler Gestalt.
Das Werk ist keine umfassende monographische Darstellung des Phänomens der aktuellen literarischen Gottesrede, will das aber auch gar nicht sein, sondern es ist, wie im Untertitel angekündigt, eine Annäherung an das Vorkommen Gottes in der Literatur heute. Im Fokus stehen zwei Aspekte: zum einen die literarisch gespiegelte religiöse Identität, die Frage nach dem Anteil der Religion an der Subjektwerdung, und zum anderen die Formen der Gottesrede in der Literatur, die Suche nach einer angemessenen Sprache. Dabei unternimmt der Autor Streifzüge sowohl durch die Gegenwartsprosa und -lyrik als auch durch die Dramatik und, interessant und überraschend, die Theaterlandschaft der letzten Jahre. Diese Annäherung ist subjektiv, denn Georg Langenhorst hat aus den genannten Bereichen exemplarisch Autoren und Werke ausgewählt, die er vorstellt und über die er reflektiert, und muss aufgrund dessen und mit Blick auf Vielfalt und Dynamik der literarischen Gegenwart bruchstückhaft bleiben. Der Bogen ist jedoch weit gespannt von „klassischen“ Autoren der Gottesrede, wie Gertrud von le Fort, als Vergleichsmöglichkeit zur Gegenwart, bis hin zu aktuellen, bekannten und weniger bekannten Literaten, in deren Werken sich Gott in vielfältiger und -schichtiger Weise entdecken lässt, wie z.B. Hanns-Josef Ortheil, Ulla Hahn, Kurt Marti, Juli Zeh, Patrick Roth oder Tankred Dorst, um nur einige Namen zu nennen. So lädt Georg Langenhorst den Leser zu einer Entdeckungsreise in den Kosmos von Literatur und Religion ein, bei der der ein oder andere sicher Bekanntes wieder finden, vielleicht auch einiges vermissen oder Interpretationen widersprechen, sicher aber ebenfalls einige Autoren und Werke mit Blick auf die Gottesrede neu oder anders entdecken wird.
Letztlich zeigt sich in einer Art „Panorama“ wie, teilweise unerwartet, vielfältig, breit und bunt die gegenwärtige Begegnung von Gott in der Literatur inhaltlich und formal ist. Gerade darin sieht Georg Langenhorst am Ende den Reiz dieser perspektivischen Betrachtung der Gegenwartsliteratur, denn sie „fordert dazu heraus, offen und neugierig zu bleiben – auch in Sachen religiöser Spiegelungen“ - und in dieser vielfältigen Anregung und persönlichen Herausforderung des Lesers liegt auch der Reiz und das Lohnende dieses Buches. Entsprechend ist es all denen, besonders jungen Menschen, gewidmet, „die auf der Suche nach Gott bleiben, […] in der Hoffnung, dass sie Gott in ihrem Leben Platz lassen“ – das Wie bleibt, wie angesichts der Vielfalt der vorgestellten literarischen Spiegelungen, offen!
Susanne Schwarz
Quelle: Quelle: Eulenfisch Literatur 3 (2010), Heft 1, S. 25f. [Literaturbeilage von Eulenfisch. Limburger Magazin für Religion und Bildung]