Daniel Gewand, Gott ist wie Husemann. Geschichten über Gott in 90 Sekunden erzählt
Münster Aschendorff-Verlag, 2021, 111 Seiten, gebunden ISBN 978-3-402-13423-8, Preis: 14,80 €
Authentisch und alltagsnah
Theresa von Avila wird der bekannte Satz zugeschrieben: Christus hat niemanden auf Erden außer Euch, keine anderen Hände, nur die Euren. Und – so kann man hinzufügen: Er hat keinen anderen Mund, kein andere Sprache als die unsrige.
Einer, der sich in Theresas Sinne zum Sprachrohr des biblischen Gottes macht, ist der in Coesfeld tätige Pastoralreferent und Radiojournalist Daniel Gewand.
Ihn motiviert es, mit seinen Radiobeiträgen in der Reihe ‚Kirche in 1LIVE‘ verständlich und kompakt von Gott zu sprechen – in einer Sprache, die für alle, gerade auch für junge Menschen heute, verständlich ist, und auf eine Weise, die Alltagssituationen mit der biblischen Gottesbotschaft ganz unmittelbar in Beziehung setzt.
85 Geschichten über Gott, die er zwischen 2009 und 2020 im Radiosender 1LIVE, dem größten Jugendradiosender Europas, näherhin in der Reihe Kirche in 1LIVE, jeweils in 90 Sekunden präsentierte, hat er nun für dieses kurzweilige Buch in besonderer Weise zusammengestellt. So kann man diese alltagsnahen, vornehmlich für Jugendliche und junge Erwachsene verfassten Radiobeiträge ab jetzt auch lesen.
Gott ist wie Husemann: Dieser Titel lässt aufhorchen. Wer ist Husemann? Und was hat dieser Husemann mit Gott zu tun?
Das Cover gibt einen ersten Hinweis: „Husemann’s Büdchen“, ein Kiosk mit einem typischen Warenangebot, durch gläserne Scheiben sichtbar, und ein zugewandter Verkäufer hinter einem geöffneten Verkaufsfenster wird dort präsentiert.
Das Inhaltsverzeichnis des Taschenbuchs liefert einen zweiten Hinweis: Der Autor hat seine Kurzgeschichten dem Sortiment eines Kiosk zugeordnet: „Kaffee. Geschichten, die inspirieren; Zeitungen. Geschichten, die informieren; Gemischte Tüte. Geschichten über die kleinen Dingen“ etc. (S. 7)
Unter „Bitte klingeln“ erfährt die Leserin bzw. der Leser zunächst, wie sich Gewand die Lektüre seines Buchs vorstellt: So wie man am Kiosk zu (fast) jeder Tageszeit für die eigenen Bedürfnisse und Stimmungen Dinge kaufen kann, so frei kann und soll jede(r) die für sie/ihn passende Geschichte „mal eben lesen“(S.7).
Gleich die erste Erzählung, die den gleichen Titel wie das gesamt Buch trägt, macht seine Art deutlich, verständlich und alltagsbezogen von Gott zu sprechen: Zunächst wird in einem Statement der neugierig machende Vergleich gezogen: „Gott ist wie Husemann.“ (S. 10) In den nächsten Sätzen beschreibt Gewand diesen Kiosk seines Besitzers Husemann: seinen einladenden Charakter, sein für Kunden jeden Alters und in jeder Lebenslage passendes Angebot. Diese Beschreibung geschieht aus der Perspektive des jungen Daniel Gewand, der hier in Duisburg seine Kindheit und Jugend erlebte. Diese Erfahrung verbindet er dann mit seinem Gottesbild: „Gott hat für jeden genau das, was er braucht, egal ob Kind, Jugendlicher, Familienvater oder Rentner*in. Gott ist immer da. Er hört dir zu. Und – ganz wichtig – Gott hat seinen Kiosk nicht nur in Duisburg-Neumühl. Gott hat seinen Kiosk überall.“ ( S. 10)
Dieser Erzählweise bleibt Gewand in all seinen originellen, alltagsnahen und sprachlich berührenden Geschichten treu und gibt so auf eine korrelative und narrative, biographisch authentische Weise ein Zeugnis von seinem Gottesbild. Dazu gehört Mut: sich auf diese Weise offen und persönlich zum christlichen Gott zu bekennen, seine eigene Lesart biblischer Texte, kirchlicher Zeugnisse und Persönlichkeiten so explizit zu formulieren – Alltag und Religion auf diese Weise unmittelbar miteinander zu verbinden.
Der direkt formulierte Gottesbezug, den Gewand in seinen Texten zwischen Alltagserfahrungen und seinem Gottesbild herstellt, wirkt für einige Leserinnen und Leser vermutlich provokant: So eine unmittelbare Nähe zwischen dem profanen Alltag und Gott als Statement zu formulieren ist für viele sicherlich ungewohnt, verortet man Göttliches und Heiliges doch traditionell eher an besonderen Orten wie einer Kirche.
Der Autor geht hier anders vor, viel direkter: Mitten im Alltag findet er Orte von Gotteserfahrungen, kann er Eigenarten seines Gottesbildes mit seinen Lebenserfahrungen vergleichen und beschreibbar machen. Indem er sie bewusst als seine Erfahrungen beschreibt und an seine Vorstellungen von Gott andockt und nicht behauptend verallgemeinert, bleibt er mit den Leserinnen und Lesern im Gespräch. Die Geschichten laden die Leserinnen und Leser ein, sich selbst auf die Suche nach Gotteserfahrungen im Alltag zu machen und bieten zugleich eine Sprachform, die eine Kommunikation darüber ermöglicht. So – bekennend, alltagsbezogen, transzendierend und erfahrungsgesättigt zugleich – können die Texte für junge lebens- und glaubenssuchende Menschen glaubwürdig und interessant erscheinen. Darin liegt die Stärke seiner Gottes-Geschichten.
Bisher hatte der Autor die Erzählungen allein auditiv als Radiofeatures vermittelt. Das Experiment, sie schriftlich zu präsentieren, ist meines Erachtens geglückt – nicht zuletzt auch dank der schlüssigen Gliederung der Texte. Unabhängig von Radioempfang und Internetzugang hat man ab jetzt als Lesende(r) eine Fundgrube authentischer Kurzgeschichten über Gott vor sich, die zu neuen Bewertungen des eigenen Alltags einladen.
Fazit: Eine klare Leseempfehlung nicht nur für junge Menschen, die Gott im Alltag finden und darüber auch mit anderen ins Gespräch kommen möchten.
Verfasst von: Dr. Heike Bee-Schroedter, Referentin in der Abteilung Schulpastoral des Erzbistums Paderborn