Geschichte der christlichen Kirchen

Buchvorstellung - 24.01.2009

Herbert Gutschera / Joachim Maier / Jörg Thierfelder
Geschichte der Kirchen
Ein ökumenisches Sachbuch mit Bildern

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2003
381 S., Ill., EUR 24.90
ISBN 3-451-28188-0

Das ökumenische Sachbuch zur Geschichte der Kirchen besticht durch seine Ausstattung: Kaum eine Doppelseite ohne Bild (einschließlich vier farbiger Abbildungsseiten) oder optisch hervorgehobenem Quellentext; mancher Fachbegriff findet sich für ein breites Publikum ebenfalls getrennt vom Haupttext erklärt. Hier werden die Kirchengeschichten anschaulich.

Diese Qualität fällt v.a. dann auf, wenn man das Vorgängerwerk aus den Jahren 1992/1995 kennt. Es sind diese Erweiterungen und Ergänzungen, die das Werk empfehlenswert machen – zumindest für den Adressatenkreis, den die Autoren (alle ausgewiesene Kenner sowohl der kirchengeschichtlichen Materie als auch ihrer didaktischen Vermittlung) im Blick haben: Religionslehrer/-innen, Schüler/-innen, Mitarbeiter/-innen im Bereich der kirchlichen Erwachsenenbildung. Für Theologiestudierende mag das Buch hingegen „nur“ als Einstieg genügen, der Lust machen sollte, sich mit den Geschichten der Kirche zu befassen. Geschichten der Kirche und Geschichte der Kirchen: Hier liegt der ökumenische Anspruch, der vollauf eingelöst wird. Sowohl die orthodoxen Kirchen als auch die reformatorischen und Freikirchen werden berücksichtigt. Die hermeneutische Blickrichtung, mit welcher der Lesende das Buch studieren soll, ist gleichermaßen angreifbar wie sinnvoll: In der Antike gehe es um das Bezeugen der Auferstehungshoffnung und der christlichen Heilslehren, im Mittelalter darum, sich in der Welt einzurichten und die ursprüngliche Botschaft zu bewahren, in der Neuzeit um eine erneute Begründung des Glaubens (S. 5). Solche Perspektiven sind als gliederndes Raster hilfreich. Aus ihnen speist sich der ökumenische Charakter, der somit nicht nur inhaltlich, sondern auch formal begründet wird: „Keine diese Antworten genügt für sich allein. Zusammen können sie aber für die weltweite (= Ökumene) Herausforderung der Kirchen in der Gegenwart hilfreich sein. Denn gefordert ist immer dieses Dreifache des Glaubens: ihn glaubwürdig zu bezeugen, getreu zu bewahren und ehrlich zu begründen. Mit diesem Programm vermögen Christen mitzuhelfen, Menschen zu ihrem wahren Menschsein zu befreien“ (S. 5).

In 25 Kapiteln entfalten die Autoren den Weg der Kirche. Im Wesentlichen entspricht der Text jenem der früheren Ausgaben. Der prägnanten Kürze eines Überblickswerks sind einige Formulierungsschwächen geschuldet, die das Nachfragen des Historikers motivieren: „Doch wie fast immer in der Geschichte werden mit Märtyrern keine Probleme aus der Welt geschafft, vielmehr bezeugt das Blut erst recht die Wahrheit der verfolgten Sache“ (S. 25). Hier mischen sich subjektive Wertung („fast immer“; warum sollten Märtyrer Probleme aus der Welt schaffen? – hier höre ich eine polemische Definition von Martyrium) mit kritikloser Paraphrasierung des nachfolgenden direkten Quellenzitats (aus Tertullian): der Wahrheitsanspruch ist jener des Tertullian und kein objektiv gültiger. Unglücklich, dass Eusebius als „Schönredner“ (S. 31) gebrandmarkt und von „lange unterdrückten und verfolgten Christen“ die Rede ist (S. 31). „Mit Konstantin (…) wurde aber die Mehrheitsmeinung sozusagen christlich getauft“ (S. 34). Das „sozusagen“ signalisiert dem Leser bereits die terminologische Schwäche und inhaltliche Fragwürdigkeit („Mehrheitsmeinung“). Der Hinweis auf LThK2 im Abschnitt über Pelagius (S. 64) und der Verweis auf die geänderte Formulierung in LThK3 lediglich in der Anmerkung sind ärgerlich und wecken einen polemischen Verdacht. Dieser gilt auch für die Aussage, dass die Gemeinden bis in die Reformationszeit hinein „jahrhundertelang (…) in Unmündigkeit gehalten worden“ seien (S. 176). Das ist zu platt und verdeckt den richtigen Ansatz, dass im Mittelalter die Gemeinde als Subjekt christlichen Lebens sich nicht entfalten konnte (oder: mußte?). Und „entspricht“ tatsächlich das Verbieten und Verbrennen missliebiger Bücher der Verfolgung der zu Ketzern Erklärten? (S. 196). Diese Hinweise sollen zur kritischen Lektüre motivieren und nicht ein verdienstvolles Unternehmen schlecht reden. Geschichte ist eben anfällig für Projektionen subjektiver Wertentscheidungen. Eine wesentliche Veränderung gegenüber den früheren Ausgaben sei eigens hervorgehoben: Sinnvoll ist nun das Zweite Vatikanum dem letzten Kapitel „Kirche auf dem Weg“ zugeordnet, das der ökumenischen Bewegung gewidmet ist. Leider entfallen in der jetzigen Fassung die wichtigen Ausführungen über die heftigen Diskussionsprozesse, welche die theologische Selbstvergewisserung und Neuorientierung des Lehramts begleiteten.

Der Band bietet insgesamt einen vernünftigen Einstieg in die Beschäftigung mit der Geschichte der Kirchen und ist einem breiten Publikum zu empfehlen. Das wesentliche Hintergrundwissen findet sich hier auf engem Raum vermittelt und v.a. allgemeinverständlich und anschaulich präsentiert. Ein Hinweis auf weiterführende Literatur würde eine Neuauflage bereichern. Das „ökumenische Sachbuch“ ist Herbert Gutschera gewidmet, der während der Drucklegung seines Werkes tödlich verunglückte. Mit Gutschera hat die deutsche Kirchengeschichtsschreibung einen Kollegen verloren, dessen wissenschaftliches und pädagogisches Wirken – beginnend mit seiner Dissertation über den Kirchengeschichtler Matthias Schröckh im 18. Jahrhundert – in besonderem Maße ökumenisch ausgerichtet war.

Jörg Seiler

Quelle: Informationen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer Bistum Limburg 33 (2004), Heft 2, S. 111f.

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